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Deuteronomium 1–3 jenseits der These eines Deuteronomistischen Geschichtswerks. Zu einem Buch von Raik Heckl


Seiten 353 - 365

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.15.2009.0353




München

1 * Rezensionsartikel zu Raik Heckl, Moses Vermächtnis. Kohärenz, literarische Intention und Funktion von Dtn 1–3 (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 9, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2004, IX + 487 S.).

2 Das verbindet diese Studie mit der ebenfalls in Leipzig bei R. Lux gefertigten Dissertation von D. Wagner, Geist und Tora. Studien zur göttlichen Legitimation und Delegitimation von Herrschaft im Alten Testament anhand der Erzählungen über König Saul, AzBG 15, Leipzig 2005. Siehe dazu E. Otto, Tora und Charisma. Legitimation und Delegitimation des Königtums in 1 Samuel 8 — 2 Samuel 1 im Spiegel neuerer Literatur, ZAR 12, 2006, 225–244.

3 Siehe L. Perlitt, Deuteronomium, BK V 1–4, Neukirchen-Vluyn 1990ff.

4 Siehe dazu im Folgenden. Die vom Verf. rezipierte Literatur endet sechs Jahre vor Erscheinen seiner Studie.

5 Siehe auch E. Otto, Deuteronomiumstudien I. Die Literaturgeschichte von Deuteronomium 1–3, ZAR 14. 2008, S. 86–236.

6 Siehe N. Lohfink, Kerygmata des deuteronomistischen Geschichtswerkes, in: J. Jeremias/L. Perlitt (Hg.), Die Botschaft und die Boten. FS H. W. Wolff, Neukirchen-Vluyn 1981, (87–100), 93f.

7 Siehe E. Otto, Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zu Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumrahmens, FAT 30, Tübingen 2000.

8 Siehe dazu J. C. Gertz, Kompositorische Funktion und literarischer Ort von Deuteronomium 1–3, in: M. Witte u. a. (Hg.), Die deuteronomistischen Geschichtswerke. Redaktions- und religionsgeschichtliche Perspektiven zur „Deuteronomismus“-Diskussion in Tora und Vorderen Propheten, BZAW 365, Berlin/New York 2006, (103–104), 107 Anm. 18: „Es kennzeichnet die gegenwärtige Neuorientierung der Forschung, daß Lohfink seine These (sc. DtrL) noch im Rahmen eines modifizierten Modells des deuteronomistischen Geschichtswerks formuliert hat, während sie jüngst von Eckart Otto unter den Vorzeichen seiner grundsätzlichen Bestreitung aufgegriffen wurde“. Zum Verhältnis der dtr Horebredaktion (DtrD) zur dtr Moabredaktion (DtrL) siehe E. Otto, Das Deuteronomium im Pentateuch (FAT 30), 110ff., sowie zusammenfassend ders., Das Gesetz des Mose, Darmstadt 2007, 137ff.

9 Dem Verf. ist darin zuzustimmen, dass auch überarbeitete Texte kohärente Texte sein wollen. Diesen Aspekt berücksichtigt die traditionelle Literarkritik zu wenig. Die weitgehende Reduzierung der Analyse auf die Inhaltsebene durch den Verf. nimmt aber die Textoberfläche zu wenig ernst, da sie allein die Quelle allen Erfassens von Sinnkonfigurationen ist. Wenn also Oberflächenbesonderheiten ohne Anzeichen auf divergierende Kohärenzstrukturen primär auf „stilistische“ oder pragmatische Ursachen zurückgeführt werden, so ergeben sich Abgrenzungsprobleme zur Literarkritik. Derartige Inkonsistenzen können auch durchaus gezielt als Teil einer Sinnkonfiguration in den Text eingesetzt worden sein.

10 Siehe E. Otto, A Hidden Truth Behind the Text or the Truth of the Text: At a Turning Point in Biblical Scholarship Two Hundred Years After De Wette's Dissertatio Critico-Exegetica, in: J. Le Roux/E. Otto (Hg.), South African Perspectives on the Pentateuch between Synchrony and Diachrony, LHB/OTS 463, London/New York 2007, 19–28.

11 Eine Kohärenzanalyse setzt in jedem Fall den text- und literarkritisch bearbeiteten Text voraus und kann den jeweiligen Textstadien Kohärenz in dem vom Verf. gemeinten Sinne verleihen, vor allem aber dem synchron gelesenen Text, denn alle Divergenzen in der Kohärenzstruktur des synchron gelesenen Textes haben wiederum, da intendiert, wovon stets auszugehen ist, eine übergreifende Kohärenzstruktur, die zu erfassen für das Textverständnis von erstrangiger Bedeutung ist. Die vorangehenden diachronen Erhebungen können allerdings erklären, ob Autoren bzw. Redaktoren die Divergenzen gezielt um einer Aussageintention willen, die der Textrezipient erfassen soll, stehen ließen, oder, womit wie im Falle des Wechsels der Gottesnamen in der Genesis zu rechnen ist, erst in den Text einsetzten. Siehe dazu E. Otto, Abraham zwischen JHWH und Elohim. Zur narrativen Logik des Wechsels der Gottesbezeichnungen in den Abrahamerzählungen; in: A.C. Hagedorn/H. Pfeiffer (Hg.), Die Erzväter in der biblischen Tradition, FS Matthias Köckert, BZAW 400, Berlin/New York 2009, 49–66. Die Mehrzahl der vom Verf. in der Kohärenzanalyse gemachten Beobachtungen sind für eine synchrone, nicht aber eine diachrone Analyse von Bedeutung. Der Verf. bekommt diesen Aspekt nicht in den Blick, da er auf keinen Fall auf die Bahnen synchroner Analyse, wie sie von N. Lohfink praktiziert wird, geraten will, obwohl der Verf. die Berührungspunkte zwischen seiner Kohärenzanalyse und N. Lohfinks synchroner Analyse durchaus notiert: „Es ergibt sich zu der vorliegenden Arbeit (sc. Lohfinks) eine Reihe von Berührungspunkten. Doch hat der Verzicht (sc. Lohfinks) auf die Literarkritik insbesondere bei den sog. antiquarischen Notizen den Nebeneffekt, dass eine einheitliche Sicht der drei Kapitel und eine Hauptthematik nicht wirklich gefunden werden kann … Auch wenn – was richtig ist – die Ursprünglichkeit der antiquarischen Notizen bei synchroner Analyse nicht zur Debatte steht, so ist doch gerade in der synchronen Analyse auf Kohärenzprobleme im Zusammenhang dieser Passagen zu achten und nicht einfach eine einheitliche Intention zu konstruieren“ (Kursive E. O.); siehe dazu E. Otto, Wie „synchron“ wurde in der Antike der Pentateuch gelesen?, in: F.-L. Hoßfeld/L. Schwienhorst-Schönberger (Hg.), Das Manna fällt auch heute noch. Beiträge zur Geschichte und Theologie des Alten/Ersten Testaments. FS E. Zenger, HBS 44, Freiburg/Br. 2004, 420–435; ders., Das Gesetz des Mose (Darmstadt 2007), 98ff. („Die antike Literaturtheorie in den Mosebüchern und ihre postbiblische Fortentwicklung“). Dennoch ist mit N. Lohfink festzuhalten, dass der vorliegende textkritisch bearbeitete Text von Dtn 1–3 synchron als sinnvoll zu lesen sein muss, ohne aber - anders als bei Lohfink - seine Spannungen fortzuargumentieren, sondern indem man sie gerade als Teil der Aussageintention versteht.

12 Siehe auch E. Otto, Mose, der erste Schriftgelehrte. Deuteronomium 1,5 in der Fabel des Pentateuch, in: D. Böhler/I. Himbaza/P. Hugo (Hg.), L'Ecrit et l'Esprit. Etudes d'histoire du texte et de théologie biblique. FS A. Schenker, OBO 214, Fribourg/Göttingen 2005, 208–225.

13 Anders L. Perlitt, Deuteronomium (BK V/1), 57, und daran anschließend R. Achenbach, Die Vollendung der Tora. Studien zur Redaktionsgeschichte des Numeribuches im Kontext von Hexateuch und Pentateuch, BZAR 3, Wiesbaden 2003, 249. Doch unterliegt es keinem Zweifel, dass, wie der Verf. bestätigt, Dtn 1,9–18 literarisch einheitlich ist. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass Dtn 1,9–18 ursprünglicher Teil des literarischen Kontextes ist.

14 Siehe dazu E. Otto, Von der Gerichtsordnung zum Verfassungsentwurf. Deuteronomische Gestaltung und deuteronomistische Interpretation im „Ämtergesetz“ Dtn 16,18–18,22, in: I. Kottsieper/J. van Oorschot u. a. (Hg.), „Wer ist wie du, Herr, unter den Göttern?“. Studien zur Theologie und Religionsgeschichte. FS O. Kaiser, Göttingen 1994, 142–155; ders., Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien, BZAW 284, Berlin/New York 1999, 238f.

15 Siehe dazu E. Otto, Das Deuteronomium im Pentateuch (FAT 30), 131f. (Lit.). Hier wie auch andernorts, so u. a. auch in der Kundschaftererzählung in Dtn 1,19–46 in Relation zu Num 13–14, nehmen die postpriesterschriftlichen Redaktoren von Hexateuch und Pentateuch neben dem Deuteronomiumsrahmen auch deren Vorlagen, also die Quellen der Quellen, auf und überarbeiten sie so, wie sie auch den Deuteronomiumsrahmen überarbeiten. Insofern ist die Beobachtung, dass Dtn 1,9–18 Ex 18 voraussetze, richtig, obwohl Dtn 1,9–18 pentateuchredaktionelle Korrektur von Ex 18,13–26 ist.

16 Siehe dazu E. Otto, Die Literaturgeschichte von Deuteronomium 1–3, ZAR 14, 2008, 86–236. Der Verf. mag es anders sehen, dass er aber diese Frage der literarischen Einordnung von Ex 18 ausklammert, ist kein überzeugendes Verfahren, wenn es um die Antwort auf die Frage geht, ob Dtn 1,9–18 konstitutiver Bestandteil der Grundschicht von Dtn 1–3 ist oder nicht. Eine Kohärenzanalyse vermag keine ausreichende Antwort auf diese Frage nach der Textdiachronie zu geben.

17 Siehe dazu oben Anm. 14.

18 Siehe dazu E. Otto, Das Deuteronomium im Pentateuch (FAT 30), 17–109 (Lit.), und im Anschluss daran R. Achenbach, Die Erzählung von der gescheiterten Landnahme von Kadesch Barnea (Num 13–14) als Schlüssel der Redaktionsgeschichte des Pentateuch, ZAR 9, 2003, 56–123.

19 Dass die antiquarischen Notizen in Dtn 2,10–12.20–23 aus dem System der Kommunikationsebenen herausfallen, sieht der Verf. und wendet sich damit gegen N. Lohfink, Stimmen im Deuteronomium 2 (1989), in: ders., Studien zum Deuteronomium und zur deuteronomistischen Literatur IV, SBAB 31, Stuttgart 2000, 47–74; cf. dazu oben Anm. 10.

20 Siehe E. Otto, Das Deuteronomium im Pentateuch (FAT 30), 110ff., sowie ders., Die Literaturgeschichte von Deuteronomium 1–3, ZAR 14, 2008, 86–236.

21 Hier schlägt auch noch einmal die Fehlinterpretation von Dtn 1,6–8 durch. Die unmittelbare Anrede des Volkes ist Reminiszenz an die Offenbarungssituation am Gottesberg, die schon durch die Grundschicht der Moabredaktion in Dtn 1,6.7aα.8abα vorgegeben war, die im Gegensatz zur Hexateuch- und Pentateuchredaktion nicht an die postpriesterschriftliche Sinaiperikope, sondern mit dem Aufbruchsbefehl in Dtn 1,6 an die Horebredaktion (DtrD) in Dtn 5,2(.5) anknüpft und in einem Vernetzungszusammenhang mit Dtn 1,40; 2,3 als Teil der Moabredaktion steht. Es soll also nicht ein „eher kollegiales Verhältnis von Volk und Mose“ begründet und damit eine direkte Kommunikation zwischen Volk und Gott als unwiderruflich verloren dargestellt werden, so dass es Moses als Offenbarungsmittlers für das deuteronomische Gesetz bedürfe. Das leistet die Horebredaktion vielmehr schon in Dtn 5, an die die Moabredaktion in Dtn 1,6–8 als Ausgangspunkt anknüpft, um ihre eigene Intention, die Darstellung des Weges in das Land Moab als Ort des eigentlichen Bundes (Dtn 29) darzustellen, mit dem Ausgangspunkt der Horebredaktion, die korrigiert werden soll, zu verknüpfen. Siehe dazu E. Otto, Die Literaturgeschichte von Deuteronomium 1–3, ZAR 14, 2008, 86–236.

22 Siehe dazu die vorangehende Anm.

23 Cf. N. Lohfink, Narrative Analyse von Dtn 1,6–3,29, in: ders., Studien zum Deuteronomium und zur deuteronomistischen Literatur V, SBAB 38, Stuttgart 2005, (57–110) 109f.

24 Um der rechtshermeneutischen Funktion willen wird Dtn 4 mit der Bindung des Erfolgs der Landnahme an den Gesetzesgehorsam aus der erzählten Zeit zugunsten der Erzählzeit herausgerückt; cf. dazu E. Otto, Rechtshermeneutik im Pentateuch und in der Tempelrolle, in: R. Achenbach/M. Arneth/E. Otto, Tora in der Hebräischen Bibel. Studien zur Redaktionsgeschichte und synchronen Logik diachroner Transformationen, BZAR 7, Wiesbaden 2007, (72–121) 72ff.; ders., Das Gesetz des Mose (Darmstadt 2007), 98ff.

25 Eine auf die Literarkritik reduzierte Analyse kann dann allerdings in den „antiquarischen Notizen“ nur „praktisch bedeutungslose Belehrungen“ sehen; cf. C. Steuernagel, Das Deuteronomium und das Buch Josua übersetzt und erklärt, HK I 3.1, Göttingen 21923, 57. Siehe dazu E. Otto, Die Literaturgeschichte von Deuteronomium 1–3, ZAR 14, 2008, 86–236.

26 Zur Methodik synchroner Deuteronomiumsanalyse cf. E. Otto, Wie synchron (HBS 44), 450–453. Zur These von N. Lohfink (Stimmen [SBAB 31], 68f.), dem Leser werde eingeübt, damit zu rechnen, „daß während einer Bucherzählereinschaltung auch die Moserede und die in ihr erzählte Handlung weiterläuft“, was N. Lohfink dann sofort wieder zurücknimmt mit der Feststellung, „(o)b es wirklich so ist, bleibt offen“, cf. E. Otto, Die Literaturgeschichte von Deuteronomium 1–3, ZAR 14, 2008, 86–236. Siehe dort auch zur Verwendung der Begriffe „Erzählzeit“ und „erzählte Zeit“ als hermeneutische Kategorien im Dienst des Pentateuch als Tora. Eine narratologische Verwendung der Begriffe zur Differenzierung zwischen der Zeit, die der Verlauf der erzählten Ereignisse in Anspruch nimmt, im Gegensatz zur Zeit, die zum Erzählen dieser Ereignisse benötigt wird, ist dem Selbstverständnis der antiken Erzählungen unangemessen.

27 Cf. R. Polzin, Moses and the Deuteronomist. A Literary Study of the Deuteronomistic History - Part One. Deuteronomy, Joshua, Judges, New York 1980, 32. Dass R. Polzin mit der These eines Deuteronomistischen Geschichtswerks eine diachrone Hypothese zum Ausgangspunkt seiner synchronen Analyse macht, sei nur am Rande notiert.

28 Cf. E. Otto, Die Literaturgeschichte von Deuteronomium 1–3, ZAR 14, 2008, 86–236.

29 Cf. E. Otto, Das Deuteronomium im Pentateuch (FAT 30), 23f.

30 Cf. dazu bereits oben in dieser Rezension.

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