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„Da sie als erste, gegen die Eide, Schaden verübten, …“: Zur Bedeutung von Vertragseiden im zwischenstaatlichen Bereich bei den Griechen


Seiten 316 - 332

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.15.2009.0316




Münster

1 * Der vorliegende Aufsatz ist die geringfügig erweiterte und mit Anmerkungen versehene Fassung eines Vortrags, den ich auf dem Frühjahrsworkshop „Konflikt- und Versöhnungspotentiale antiker Religionen und Weltanschauungen und ihre Auswirkungen auf die Vormoderne und Moderne“ des Centrums für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeerraums in Münster gehalten habe. Die folgenden Ausführungen stellen ferner Vorüberlegungen zu einem Teil meiner Dissertation dar, die den Arbeitstitel „Religion und Außenpolitik im klassischen Griechenland“ trägt und vom Münsteraner Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“ gefördert wird. Für wertvolle Hinweise danke ich P. Funke und M. Haake (beide Münster), R. Achenbach (Münster) für den Vorschlag, meine Überlegungen in der ZAR zu publizieren. Das Zitat im Titel stammt aus Hom. Il. IV 271 nach der Schadewaldt'schen Übersetzung. Die hier vorgelegte Untersuchung kann sich nur mit der griechischen Eidespraxis auseinandersetzen. Vgl. zum vorderasiatischen Bereich etwa jüngst mit Verweisen auf die ältere Literatur Kleber, K., Zum Meineid und zu seiner Bestrafung in Babylonien, ZAR 13 (2007), 23–38.

2 Lykurg. 79.

3 Auch in der heutigen altertumswissenschaftlichen Forschung fehlt es nicht an solchen – allgemeinen – positiven Urteilen über den Eid. So hat etwa Burkert, W., s.v. Griechische Religion, TRE 14 (1985), 235–253, 244 den Eid als die „wichtigste Intervention der Religion in die Alltagspraxis“ bezeichnet.

4 Zeitangaben sind, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, immer als v. Chr. zu verstehen.

5 Plat. leg. 948d: τούς ἡμίσεις αὐτῶν ἐπιωρκηκότας. Diesem negativen Urteil hat sich später v.a. die ältere altertumswissenschaftliche Forschung angeschlossen. Vgl. etwa Hirzel, R., Der Eid. Ein Beitrag zu seiner Geschichte, Leipzig 1902 oder schon Burckhardt, J., Griechische Culturgeschichte, II. Aus dem Nachlaß hrsg. v. L. Burckhardt / B. von Reibnitz / J. von Ungern-Sternberg, in: Werke. Kritische Gesamtausgabe, München – Basel 2005, Bd. 20, 327–331.

6 Zu den verschiedenen Eideskategorien Vgl. Hirzel (wie Anm. 4), 1–7.

7 Zur Übertragbarkeit des modernen Staatsbegriffs auf die antiken außenpolitischen Verhältnisse Vgl. jetzt Baltrusch, E., Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, München 2008, (Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike 7), 2f., der den Vorschlag von Winterling, A., Polisübergreifende Politik bei Aristoteles, in: C. Schubert / K. Brodersen (Hgg.), Rom und der griechische Osten, Stuttgart 1995, 313–328, statt von ‚zwischenstaatlichen‘ besser von ‚interpolitischen‘ Beziehungen zu sprechen, kritisch diskutiert.

8 Thuk. V 84–116. Eine derartige Propagierung uneingeschränkter Machtpolitik war sicher keine athenische Eigenheit, sondern konnte genauso von spartanischer Seite aus erfolgen; Vgl. das Urteil der spartanischen ‚Richter‘ über die Plataier bei Thuk. III 68.

9 Bederman, D., International Law in Antiquity, Cambridge 2001, 61. Vgl. auch Plescia, J., The Oath and Perjury in Ancient Greece, Tallahassee 1970, 71 („Oaths, in fact, were the main guarantee of the fulfillment of the conditions of treaties.“) und Knippschild, S., „Drum bietet zum Bunde die Hände.“ Rechtssymbolische Akte in zwischenstaatlichen Beziehungen im orientalischen und griechisch-römischen Altertum, Stuttgart 2002, 9, die Eid und Eidesritual als „die eigentlich konstitutiven Elemente der Staatsverträge des Altertums“ bezeichnet.

10 Vgl. zu dem Begriff und dem gesamten Komplex Gehrke, H.-J., Die Griechen und die Rache. Ein Versuch in historischer Psychologie, Saeculum 38 (1987), 121–149, Zitat 131.

11 Funke, P., Alte Grenzen – neue Grenzen. Formen polisübergreifender Machtbildung in klassischer und hellenistischer Zeit, in: R. Albertz / A. Blöbaum / P. Funke (Hgg.), Räume und Grenzen. Topologische Konzepte in den antiken Kulturen des östlichen Mittelmeerraumes, München 2007, 187–204, Zitat 188.

12 Einige Quellenpassagen, in denen die „Gesetze der Griechen“ auftauchen, sind gesammelt bei Ducrey, P., Le traitement des prisonniers de guerre dans la Grèce antique des origines à la conquěte romaine, Paris 21999, 294, Anm. 1. Vgl. zu den νόμιμα τῶν Ἑλλήνων auch Trampedach, K., Hierosylia: Gewalt in Heiligtümern, in: G. Fischer / S. Moraw (Hgg.), Die andere Seite der Klassik. Gewalt im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr., Stuttgart 2005, 143–165, bes. 143, 148–150 und Funke, P., Die Perser und die griechischen Heiligtümer in der Perserkriegszeit, in: B. Bleckmann (Hg.), Herodot und die Epoche der Perserkriege. Realitäten und Fiktionen. Kolloquium zum 80. Geburtstag von Dietmar Kienast, Köln / Weimar / Wien 2007, 21–34, bes. 30f.

13 Unverzichtbar waren das Tieropfer und die Libation als Zeichen für die Beendigung des Blutvergießens – Friedensverträge heißen daher pars pro toto nach dem Trankopfer zumeist einfach σπονδαί; Vgl. hierzu etwa Burkert, W., Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart u.a. 1977, 377. Zum Eidesritual s. ferner Glotz, G., s.v. jusjurandum, DS III 1 (1899), 748–769, bes. 751f., Stengel, P., Zu den griechischen Schwuropfern, Hermes 49 (1914), 90–101, ders., Die griechischen Kultusaltertümer (HdAW V 3), München 31920, 136–138, Plescia (wie Anm. 8), 10, Lonis, R., La valeur du serment dans les accords internationaux en Grèce classique, DHA 6 (1980), 267–286, bes. 275–278 und jüngst Baltrusch (wie Anm.6), 7–9, 27–29.

14 Burkert (wie Anm. 2), 244.

15 Jede Polis hatte ihre eigenen Schwurgötter: So schworen die Athener entweder bei Zeus, Apollon und Demeter oder bei Zeus, Poseidon und Demeter. In Verträgen konnte an die Stelle einer Auflistung der Schwurgötter die Formel ὁ νόμιμος (StV II 229; 280 [ergänzt]; 293; 340 [ergänzt]; III 551; 567) oder ἐπιχώριος (Thuk. V 18,9; 47,8) ὅρκος treten. Vgl. zu den Schwurgottheiten in griechischen Staatsverträgen Ziebarth, E., De iureiurando in iure Graeco quaestiones, Göttingen 1892, 14–27, dens., s.v. Eid, RE V 2 (1905), 2076–2083, bes. 2076–2079 und Adcock, F. / Mosley, D.J., Diplomacy in Ancient Greece, London 1975, 218; zu den kretischen Schwurgottheiten s. Chaniotis, A., Die Verträge zwischen kretischen Poleis in der hellenistischen Zeit, Stuttgart 1996, 68–76.

16 Lonis (wie Anm. 12), bes. 270–275 hält die Schwurgötter für bloße Zeugen des Eides und trennt ihre Funktion sehr strikt von derjenigen ‚magischer Mächte‘ wie der Erinnyen oder des personifizierten Eides (Horkos): Letztere seien im Gegensatz zu den Göttern die eigentlichen Sanktionsmächte des Meineids. Diese auf den ersten Blick reizvolle These trennt aber zu stark zwischen einer religiös-göttlichen und einer magischen Sphäre. Außerdem gibt es durchaus Passagen, die belegen, dass man gerade im zwischenstaatlichen Bereich auf die Sanktionsmacht der Eidgötter setzte; man Vgl. nur Thuk. I 86,5, der die Rede des spartanischen Ephoren Sthenelaidas mit den Worten enden lässt: „[…] unsere Bundesgenossen wollen wir nicht preisgeben, sondern mit den Göttern (ξὺν τοῖς θεοῖς) gegen die Rechtsbrecher vorgehen!“ Dass hier mit den ‚Göttern‘ die Schwurgötter gemeint sind, ergibt sich aus dem Kontext der Passage, da in der vorhergehenden Diskussion mehrfach explizit auf die Rolle der Eidgötter als Zeugen des Vertrags hingewiesen wird (Thuk. I 71,5; I 78,4). Hier sind allerdings noch weitere Forschungen nötig, um den Zusammenhang zwischen den genannten Strafgewalten systematisch näher auszuloten.

17 Zu den Schwurgöttern als ‚Zeugen‘ (μάρτυροι) des Eides s. Hom. Il. III 280; VII 76; XIV 274; XXII 254f.; Thuk. I 78,4; II 71,4; Xen. Anab. IV 8,7; in dem Bündnis zwischen Sybariten und Serdaioi StV II 120 (spätes 6. Jh.) werden „Zeus, Apollon und die anderen Götter“ καὶ πόλιςΠοσειδα/νία als πρόξενοι angeführt; s. zu dieser Inschrift mit der Diskussion um die korrekte Übersetzung von πρόξενοι als ‚Bürgen‘ – so die deutsch- und englischsprachige Forschung: Kunze, E., Olympia-Bericht, VII, Berlin 1961, 207–210, StV II 120, ML 10 („guarantors“), HGIÜ I 16 und jüngst Aigner-Foresti, L., Der Föderalismus im antiken Italien (bis 89 v. Chr.), in: P. Siewert / dies. (Hgg.), Föderalismus in der griechischen und römischen Antike, 150 (Q 17) – oder ‚Zeugen‘ („témoins“), wie die französische Forschung seit Gauthier, P., Symbola. Les étrangers et la justice dans les cités grecques, Nancy 1972, 33–35 übersetzt (Vgl. etwa Lonis [wie Anm. 12], 270f., Bertrand, J.-M., Inscriptions historiques grecques, Paris 1992, 36f. [Nr. 8] und van Effenterre, H. / Ruzè, F., Nomima. Recueil d'inscriptions politiques et juridiques de l'archaïsme grec, I, Rom 1994 [Collection de l'école Française de Rome 188], 174–177 [Nr. 42]), zuletzt Giovannini, A., Les relations entre états dans la Grèce antique: du temps d'Homère à l'intervention romaine (ca. 700–200 av. J.-C.), Stuttgart 2007, 251 (T 3), der allerdings Gauthier fälschlicherweise die von diesem abgelehnte Übersetzung „garant“ unterstellt.

18 Hdt. VI 86α. Vgl. zur Glaukos-Episode die sehr überzeugende Interpretation von Hornblower, S., Thucydides and Plataian Perjury, in: A.H. Sommerstein / J. Fletcher (Hgg.), Horkos. The Oath in Greek Society, Exeter 2007, 138–147, bes. 139f.

19 Hdt. VI 86γ in der Übersetzung von Walter Marg. Eindrücklicher, aber arg frei ist die Übersetzung August Horneffers: „Aber es folget dem Meineid sein Sohn, der hat keinen Namen, / Hat nicht Hände und Füße; er schreitet so schnell wie der Sturmwind, / Greift dein Haus und Geschlecht und vertilget sie ganz von der Erde. / Aber des Eidesgetreuen Geschlecht hat Ruhm bei der Nachwelt.“ Vgl. zu dieser Passage jetzt auch Veyne, P., Die griechischrömische Religion. Kult, Frömmigkeit und Moral, Stuttgart 2008, 39 (Titel der Originalausgabe: Culte, piété et morale dans le paganisme gréco-romain, in: ders., L'Empire grécoromain, Paris 2005).

20 Lonis (wie Anm. 12), 274 sieht hier „l'écho d'une très ancienne conception du serment“ am Werke. Es hat sich an dieser Grundkonzeption aber auch in klassischer Zeit nichts geändert, wie gerade die oben zitierte Herodot-Passage bezeugt.

21 Hom. Od. VIII 74.

22 Vgl. etwa den Synoikismos zwischen Orchomenos in Arkadien und Euaimon StV II 297 (HGIÜ II 287), wo es jeweils am Ende des Vertragseides beider Seiten heißt: „Und dem, der seinen Schwur hält, soll es wohl ergehen, den, der meineidig wird, soll Vernichtung treffen, ihn selbst und seine Sippe.“ (In der Form des Eids der Euaimnier: κεὐορκέντι μὲν τἀγαθὰ̣,[ἐ]πιορκέντι δὲ ἐξο̣[λέ]σθαι αὐτὸγ καὶ γένος)). Zum Fluch bei den Griechen Vgl. etwa Ziebarth, E., Der Fluch im griechischen Recht, Hermes 30 (1895), 57–90, Vallois, R., APAI, BCH 38 (1914), 250–271, bes. 268–271; zu den Verwünschungs- und Segensformeln in kretischen Staatsverträgen s. Chaniotis (wie Anm. 14), 76f. Lonis (wie Anm. 12), bes. 272–275 interpretiert die Exsekrationsformel als den wichtigsten Bestandteil jedes Vertragseids und stellt einen kausalen Zusammenhang zwischen einer angeblichen Verkürzung der Verfluchungsformel in den Staatsverträgen des 4. Jh.s und der Ineffektivität des Vertragseids her. Allerdings stammt die oben zitierte Exsekrationsformel gerade aus dem 4. Jh. und weist etwa noch die Verfluchung auch der Sippe auf.

23 Zu diesem Befund passt sehr gut die Tatsache, dass bei den Griechen von allen Göttern nur Zeus mit dem Epitheton Horkios verehrt wurde oder als einziger Schwurgott auftreten konnte (Vgl. hierzu Lonis [wie Anm. 12], 272, der in Anm. 52 einige Stellen auflistet, an denen allein Zeus über einen Eid wacht). Dass gerade der oberste Olympier in besondere Beziehung zum Eid gesetzt wurde (Vgl. Soph. Oid. K. 1767: Διὸς Ὅρκος), verdeutlicht, welch große Bedeutung man dem Eid, aber v.a. auch dem Problem der Sanktionierung von Meineid beimaß.

24 Hes. Theog. 226–232; zitiert ist 231f.

25 Dies ist auch häufig geschehen: So hat etwa jüngst West, S., ΟΡΚΟΥ ΠΑΙΣ ΕΣΤΙΝ ΑŃ ΝΥΜΟΣ. The Aftermath of Plataean Perjury, CQ 53 (2003), 438–447, ausgehend von der wichtigen Beobachtung, dass Thukydides entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nur an einer einzigen Stelle (II 5,6) voneinander abweichende Berichte seiner Quellen („conflicting accounts“ [ebd., 438]) nebeneinander stehen lässt, ohne sich für eine der beiden Varianten zu entscheiden, die religiöse Bedeutung des Eides betont; s. hierzu aber auch die Bemerkungen von Hornblower (wie Anm. 17), 138–147.

26 Dies zeigt jetzt materialreich und höchst eindrucksvoll Rhodes, P.J., Making and Breaking Treaties in the Greek World, in: P. de Souza / J. France (Hgg.), War and Peace in Ancient and Medieval History, Cambridge 2008, 6–27.

27 Vgl. Bederman (wie Anm. 8), 61 (Kapitelüberschrift) und Rhodes (wie Anm. 25), 6 (Titel).

28 Dies hat für den Bereich der hierosylia beispielhaft untersucht Trampedach (wie Anm. 11), 143–165.

29 Hirzel (wie Anm. 4), 22; 86 spricht er erneut von einer „Leichtfertigkeit im Gebrauch des Eides“.

30 Ders. (wie Anm. 4), 52, Anm. 1.

31 Ders. (wie Anm. 4)., 47f.: „Die Römer erscheinen auch hier als das Volk des Rechts, mit dem ja auch ihre Sprache den Eid auf's Engste verknüpft (jus und jurare) und das sie in, dem Buchstaben sich anschmiegender, aber nicht willkürlicher Auslegung so reich entwickelten; die Griechen dagegen finden wir schon von den Anfängen ihres geistigen Lebens her auf dem Wege, dermaleinst das classische Volk der Sophistik [Hervorhebungen v. Verf.] zu werden.“

32 Ders. (wie Anm. 4), 79.

33 Zu Hirzels Vita Vgl. Becker, C., s.v. Hirzel, Rudolf, NDB 9 (1972), 246f.

34 Vgl. etwa die allerdings sehr instruktiven Ausführungen von Burckhardt (wie Anm. 4), 327–331, der die Griechen in Bezug auf den Meineid „schwerer belastet“ (327) als andere Völker sieht und von „einer gänzlichen Gleichgültigkeit der Griechen in den Mitteln des Erfolges“ (331) spricht; anders Ziebarth (wie Anm. 14), der aber allein die juristischen Aspekte des griechischen Eides in den Blick nimmt.

35 So schon Martin, V., La vie internationale dans la Grèce des cités, Genf 1940, 402: „La force du sentiment d'obligation que peut susciter un engagement contracté dans ces conditions dépend naturellement du degré d'intensité de la croyance à des puissances surnaturelles et à leur intervention dans la vie des peuples.“ Vgl. auch Thür, G., s.v. Eid II. Griechenland, DNP 3 (1997), 909: „In der archaischen Gesellschaft mit ihren starken religiösen Bindungen spielte der Eid im Staats- und Rechtsleben eine zentrale Rolle, die in klassischer Zeit immer mehr verblaßte.“ Zu einer kritischen Sicht dieser Verfallsthese Vgl. Lonis (wie Anm. 12), 269f.

36 Baltrusch (wie Anm. 6), 28.

37 Ders. (wie Anm. 6), 29.

38 Ders., Symmachie und Spondai. Untersuchungen zum griechischen Völkerrecht der archaischen und klassischen Zeit (8.-5. Jahrhundert v. Chr.), Berlin / New York 1994, 61 Anm. 334.

39 So Mikalson, J.D., Athenian Popular Religion, Chapel Hill / London 1983, 13 in der Überschrift seines zweiten Kapitels. Zwei Seiten später stellt er lapidar fest: „Or, to put it more simply, the gods came first“.

40 Vgl. Bolmarcich, S., Oaths in Greek International Relations, in: A.H. Sommerstein / J. Fletcher (Hgg.), Horkos. The Oath in Greek Society, Exeter 2007, 27: „Oaths in the sphere of Greek diplomacy, then, could be quite problematic. To date, what scholarship there has been on oaths in Greek treaties has focused on their negative aspects – e.g. how easily broken they were and, consequently, how little trust there apparently was between Greek states. This article takes a more positive approach.“ Bolmarcich befindet sich mit dieser positiveren Sichtweise griechischer Diplomatie ganz im Einklang mit der neuesten anglophonen Forschung zur griechischen Diplomatie: s. etwa Bederman (wie Anm. 8), bes. 11–15, 48–87, der ein ‚griechisches Völkerrecht‘ rekonstruiert, und Low, P., Interstate Relations in Classical Greece. Morality and Power, Cambridge 2007, bes. 77–128; Vgl. ferner auch Piccirilli, L., L'invenzione della diplomazia nella Grecia antica, Rom 2002.

41 Bolmarcich (wie Anm. 39), 27.

42 Ebd. Bolmarcich baut dabei in ihren Beobachtungen auf Wheeler, E., Sophistic Interpretations and Greek Treaties, GRBS 25 (1984), 253–274 auf. Ähnlich wie bei Bolmarcich bildet das Eidesformular auch für Lonis (wie Anm. 12), 267–286, mit dessen Thesen sie sich allerdings nirgends auseinandersetzt, den Ausgangspunkt: Dieser geht von einer Veränderung der Verfluchungsformel in den Staatsverträgen aus (Vgl. Anm. 21). Während allerdings Bolmarcich (wie Anm. 39), 27 durch z.T. ‚sophistisch‘ anmutende Differenzierungen („there was a difference between violation of an oath without cause, and failure to fulfill the obligations of an oath when asked due to circumstances – violation by commission and violation by omission, as it were.“) die Praktikabilität griechischer Vertragspraxis über Gebühr betont, kommt Lonis (wie Anm. 12), 280 letztlich zu einer realistischeren Einschätzung der griechischen zwischenstaatlichen Verhältnisse: „Rien n'est plus vrai et, pour qui étudie les relations entre les cités grecques aux Ve et IVe siècles, il est évident que la validité des engagements internationaux a dépendu, non de la régularité de la procédure ni de la piété ou de l'impiété des contractants, mais, pour l'essentiel, du rapport des forces.“

43 Vgl. Bolmarcich (wie Anm. 39), 28–31.

44 Thuk. V 30,1: Λακεδαιμόνιοι δὲ αἰσθόμενοι τὸν θροῦν τοῦτον ἐν τῇ Πελοποννήσῳ καθεστῶτα

45 Vgl. zur Bündnispolitik im Peloponnesischen Krieg Alonso Troncoso, V., Neutralidad y Neutralismo en la Guerra del Peloponeso (431–404 a.C.), Madrid 1987.

46 S. Bolmarcich (wie Anm. 39), 30f.

47 Ähnlich über den Eid bei den Griechen im Allgemeinen Burkert (wie Anm. 12), 382: „Um menschliches Verhalten der freien Willkür zu entziehen und vorhersagbar zu machen, war der Eid ein manchmal fast verzweifeltes, aber jedenfalls gänzlich unersetzbares Mittel.“

48 Hom. Il. III 245–301.

49 Vgl. hierzu Ager, S., Sacred Settlements. The Role of the Gods in the Resolution of Interstate Disputes, in: J.-M. Bertrand (Hg.), La violence dans les mondes Grec et Romain, actes du colloque international (Paris, 2 — 4 mai 2002), Paris 2005, 413–427 und Burkert, W., Krieg, Sieg und die Olympischen Götter der Griechen, in: F. Stolz (Hg.), Religion zu Krieg und Frieden, Zürich 1986, 69–87.

50 Hom. Il. IV 271; so auch schon zuvor im Gespräch der Götter (Zeus, Hera, Athene) IV 236.

51 Thuk. I 123,2; II 74,2; VII 18,2.

52 Der Terminus findet sich allerdings noch nicht bei Homer. Zum Vertragstypus der Symmachie Vgl. etwa Alonso Troncoso, A., Algunas consideraciones sobre la naturaleza y evolución de la Symmachía en época clásica (I), in: J.M. Blázquez / J. Martínez-Pinna (Hgg.), Estudios sobre la antigüedad en homenaje al Profesor Santiago Montero Díaz, Madrid 1989, (Gerión Suppl. 2), 165–179, Tausend, K., Amphiktyonie und Symmachie. Formen zwischenstaatlicher Beziehungen im archaischen Griechenland, Stuttgart 1992, 64–256 und Baltrusch (wie Anm. 37), 3–91.

53 Xen. Hell. VII 4,10.

54 Hom. Il. VII 351f.

55 Vgl. Hom. Il. III 285f.

56 Vgl. etwa die Geschichte des Mordes an den persischen Gesandten durch die Spartaner Hdt. VII 133–136. S. hierzu auch Bederman (wie Anm. 8), 55–59.

57 Hdt. I 74: ἄνευ γὰρ ἀναγκαίης ἰσχυρῆς συμβάσιες ἰσχυραὶ οὐκ ἐθέλουσι συμμένειν.

58 Zur Bedeutung der Religion im und für das Werk des Thukydides Vgl. Jüngst Furley, W.D., Thucydides and Religion, in: A. Tsakmakis / A. Rengakos (Hgg.), Brill's Companion to Thucydides, Leiden 2006, 415–438.

59 Trampedach (wie Anm. 11), 148.

60 Thuk. III 82,7: καὶ ὅρκοι εἴ που ἄρα γένοιντο ξυναλλαγῆς, ἐν τῷ αὐτίκα πρὸς τὸ ἄπορον ἑκατέρῳ διδόμενοι ἴσχυον οὐκ ἐχόντων ἄλλοθεν δύναμιν.

61 Thuk. III 83,2 οὐ γὰρ ἀν ὁ διαλύσων οὔτε λόγος ἐχυρὸς οὔτε ὅρκος φοβερός.

62 Trampedach (wie Anm. 11), 155.

63 Vgl. auch Thukydides' Beschreibung der stasis in Megara (IV 74,2f.), bei der selbst das Schwören der feierlichsten Eide (ὁρκώσαντες πίστεσι μεγάλαις μηδὲν μνησικακήσειν, βουλεύσειν δὲ τῇ πόλει τὰ ἄριστα.) keinen Schutz vor Mord und Willkür bot. Vgl. zu dem beschriebenen Wirkzusammenhang in Bezug auf die hierosylia Trampedach (wie Anm. 11), 156.

64 Thuk. I 9,1: Ἀγαμέμνων τέ μοι δοκεῖ τῶν τότε δυνάμει προύχων καὶ οὐ τοσοῦτον τοῖς Τυνδάρεω ὅρκοις κατειλημμένους τοὺς Ἑλένης μνηστῆρας ἄγων τὸν στόλον ἀγεῖραι.

65 Vgl. zu dieser Form der Diplomatie Herman, G., Ritualised Friendship and the Greek City, Cambridge 1987. Vgl. zur griechischen Diplomatie in den sog. Dark Ages und der Archaik etwa Adcock / Mosley (wie Anm. 14), 9–23, Stahl, M., Aristokraten und Tyrannen im archaischen Athen. Untersuchungen zur Überlieferung, zur Sozialstruktur und zur Entstehung des Staates, Stuttgart 1987, 201–228, Stein-Hölkeskamp, E., Adelskultur und Polisgesellschaft. Studien zum griechischen Adel in archaischer und klassischer Zeit, Stuttgart 1989, 182–185, 207–212, Tausend (wie Anm. 51), 188–200, Raaflaub, K.A., Politics and Interstate Relations in the World of Early Greek poleis. Homer and beyond, Antichthon 31 (1997), 1–27 und Baltrusch (wie Anm. 6), 5–9.

66 Vgl. Trampedach (wie Anm. 11), 154: „Der griechische Machtdiskurs vindiziert dem Stärkeren uneingeschränkte Rechte, die auch die Götter zu seiner Beute werden lassen. Im Gegensatz dazu beschreibt die Norm der Unverletzlichkeit von Heiligtümern praktisch vor allem die Rechte von Schwächeren. Je mehr der Machtdiskurs zur handlungsleitenden Maxime wurde (wenn auch selten so unverhüllt wie in Thukydides' Melierdialog), desto geringer wurde die Neigung zum Respekt irgendwelcher Grenzen.“

67 Vgl. Luraghi, N., Sterben wie ein Tyrann, in: W. Pircher / M. Treml (Hgg.), Tyrannis und Verführung, Wien 2000, 91–114.

68 Vgl. dens. (wie Anm. 66), 92–96 und Trampedach (wie Anm. 11), 155: „Während in archaischer Zeit die Tötung von Tyrannen am Altar immerhin noch als (allerdings bewußt einkalkuliertes) Sakrileg wahrgenommen wird, fällt in späteren Fällen offenbar auch diese Beschränkung weg.“

69 Zu dieser gängigen Datierung der Dissoi Logoi Vgl. Robinson, T.M., Contrasting Arguments – an Edition of the Dissoi Logoi, New York 1979, 34–41, kritisch dazu Conley, T.M., Dating the so-called Dissoi Logoi. A cautionary note, AncPhil 5 (1985), 59–65. Vgl. jüngst mit weiterer Literatur Scholz, P., Philosophieren vor Platon – zu den sozialen und politischen Entstehungsbedingungen der Dissoi Logoi, in: A. Becker / P. Scholz (Hgg.), Dissoi Logoi – „Zweierlei Ansichten“. Ein sophistischer Traktat. Text, Übersetzung, Kommentar, Berlin 2004, 13–43, bes. 16.

70 DK II 90,3,6f.: ἐπιορκὲν δέ αἴ τἰς ὑπὸ των πολεμίων λαφθεὶς ὑποδέξαιτο ὀμνύων ἀ μὰν ἀφεθεὶς τὰν πόλιν προδώσεν, ἆρα οὗτος δίκαιά <κα> ποιήσαι εὐορκήσας; ἐγὼ μὲν γὰρ οὐ δοκῶ ἀλλὰ μᾶλλον τὰν πόλιν καὶ τὼς φίλως καὶ τὰ ἱερὰ σώσαι <κα τὰ> πατρώϊα ἐπιορκήσας. ἤδη ἄρα δίκαιον καὶ τὸ ἐπιορκεῖν.

71 Selbstverständlich setzt die Argumentationslogik der Passage voraus, dass in der Regel das Einhalten eines geleisteten Eides als die geltende Norm anzusehen ist. Dies soll auch gar nicht in Abrede gestellt werden. Bezeichnend ist aber gerade, dass der Bruch der Norm dennoch gerechtfertigt werden kann. Dass dies als typisch für griechisches Denken anzusehen ist, meint auch Trampedach (wie Anm. 11), 156: „Die Griechen kannten, so zeigt sich ein weiteres Mal, keine unausdenkbare, schlechthin verworfene und grundsätzlich nicht zu rechtfertigende Tat.“

72 Vgl. Trampedach (wie Anm. 11), bes. 154–157. Die Anmerkungen mögen es illustrieren, es sei hier aber auch einmal explizit darauf hingewiesen, wie viel der hier vorgelegte Lösungsansatz Trampedachs Beobachtungen zur Gewalt in Heiligtümern verdankt.

73 Blundell, M.W., Helping Friends and Harming Enemies. A Study in Sophocles and Greek Ethics, Cambridge 1989, 26–59 hat in einem instruktiven Kapitel gezeigt, wie solches Denken die griechische Literatur von Anfang bis Ende durchzieht. Vgl. auch Gehrke, H.-J., Stasis. Untersuchungen zu den inneren Kriegen in den griechischen Staaten des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., München 1985, 252, 352f., der verdeutlicht, welche Rolle persönliche Vorbehalte in Bürgerkriegen spielten.

74 Vgl. hierzu auch Bolmarcich (wie Anm. 39), 27, die den Vertragseiden „a longer ‚shelf life‘ than many other Greek oaths“ zuerkennt.

75 Ein Beispiel wäre die jeweilige innenpolitische Opposition in Sparta (die neuen Ephoren Kleobulos und Xenares) und Athen (Alkibiades) gegen den Nikias-Frieden: Diese tauchen in der überlieferten Liste der Eidesleister sowohl der Symmachie als auch des Friedensvertrages nicht auf. In V 36,1 sagt Thuk. ferner ausdrücklich: „Im folgenden Winter [sc. 421/420] – es waren bereits andere Ephoren im Amt und nicht die, unter denen der Friedensvertrag zustande gekommen war, wobei einige von ihnen Gegner (dieses Vertrages) waren – kamen Gesandte aus dem Gebiet der Verbündeten, auch Athener, Boioter und Korinther hatten sich eingefunden.“ Τοῦ δ’ ἐπιγιγνομένου χειμῶνος (ἔτυχον γὰρ ἔφοροι ἕτεροι καὶ οὐκ ἐφ’ ὧν αἱ σπονδαὶ ἐγένοντο ἄρχοντες ἤδη, καί τινες αὐτῶν καὶ ἐναντίοι <ταῖς> σπονδαῖς) ἐλθουσῶν πρεσβειῶν ἀπὸ τῆς ξυμμαχίδος καὶ παρόντων Ἀθηναίων καὶ Βοιωτῶν καὶ Κορινθίων […]. S. hierzu auch Bolmarcich (wie Anm. 39), 26 m. Anm. 8 (224).

76 Vgl. zum Schiedsgerichtsverfahren etwa Piccirilli, L. (Hg.), Gli arbitrati interstatali greci. Introduzione, edizione critica, traduzione, commento e indici, I: Dalle origini al 338 a. C., Pisa 1973 und Funke (wie Anm. 10), 190 m. Anm. 7, für die nachklassische Zeit s. Ager, S.L., Interstate Arbitrations in the Greek World, 337–90 B.C., Berkeley / Los Angeles / London 1996 und Magnetto, A. (Hg.), Gli arbitrati interstatali greci. Introduzione, edizione critica, traduzione, commento e indici, II: Dal 337 al 196 a. C., Pisa 1997.

77 Vgl. Bolmarcich (wie Anm. 39), 27, die überhaupt einige der strukturellen Ursachen für die Schwierigkeiten, mit denen Eide im zwischenstaatlichen Bereich bei den Griechen konfrontiert wurden, auflistet (26f.); sie sieht diese aber nicht als Gründe für das Scheitern von Vertragseiden an, sondern nur als Anzeichen dafür, dass „[o]aths in Greek treaties were of necessity very different from oaths in, say, Greek law or ordinary conversation“ (26).

78 Denn hier kommt die dritte strukturelle Ursache zum Tragen (s.o.).

79 Zu dem Vertragstypus der spondaí Vgl. grundsätzlich Baltrusch (wie Anm. 37), 92–188.

80 Vgl. etwa die Diskussion der Spartaner nach ihrer Niederlage bei Leuktra Xen. Hell. VI 4,15.

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