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Gewohnheitsrecht oder Rechtsgewohnheit(en) in altbabylonischer Zeit oder: Was war die Grundlage des „Codex‟ Ḫammurapi?


Seiten 127 - 132

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.18.2012.0127




Frankfurt a. M.

1 Siehe nur H. Petschow, Art. „Gesetze A. Babylonien‟, RlA Bd. 3, Berlin — New York 1957–1971, (255–269), 256; insbesondere aber ders., Zur Systematik und Gesetzestechnik im Codex Hammurapi, ZA 57, 1965, 146–172, ders., Die §§ 45 und 46 des Codex Hammurapi. Ein Beitrag zum altbabylonischen Bodenpachtrecht und zum Problem: Was ist der Codex Ḫammurapi?, ZA 74, 1984, 181–212 sowie ders., Beiträge zum Codex Ḫammurapi, ZA 76, 1986, 17–75.

2 Zum Begriff der Rechtsgewohnheiten und zur Perspektive der altorientalischen Rechtsgeschichte hierauf im Anschluss an die Tagung „Mittelalterliche Rechtsgewohnheit als rechtshistorisches und rechtstheoretisches Problem‟ der International Max Planck Research School for Comparative Legal History am 15. und 16. Januar 2010 siehe G. Pfeifer, Rechtsgewohnheiten in der Perspektive der altorientalischen Rechtsgeschichte, Rechtsgeschichte 17, 2010, 81–83sowie ders., Antwort auf Philipp Scheibelreiter, in: G. Thür u.a. (Hg.), Symposion 2009, Akten der Gesellschaft für Griechische und Hellenistische Rechtsgeschichte, Wien 2010, (377–382), 380 f.

3 Überblick bei S. A. Jackson, A Comparison of Ancient Near Eastern Law Collections Prior to the First Millenium B.C., New Jersey 2008, 69–113sowie die Bibliographie ebd. 257–276.

4 H. Neumann, Recht im antiken Mesopotamien, in: U. Manthe (Hg.), Die Rechtskulturen der Antike, München 2003, (55–122), 65.

5 Als Beispiele seien hier nur genannt etwa die Rechtssammlung von Gortyn für das griechische oder das Zwölftafelgesetz für das römische Recht.

6 Dazu mit Beispielen Pfeifer, Rechtsgewohnheiten (o. Anm. 2), 81. Gerade dieser Befund macht deutlich, wie wichtig terminologische Sorgfalt im Umgang mit den Quellen ist, und etwa der Begriff der „Kodifikation‟ im modernen Sinne, der nachgerade mittels des Anspruchs einer planmäßigen und lückenlosen Rechtsetzung definiert wird, schlechterdings nicht verwendet werden kann.

7 Pfeifer, Rechtsgewohnheiten (o. Anm. 2), 81.

8 Dazu G. Cardascia, La coutume dans les droits cuneíforms, in: La Coutume — Societé Jean Bodin, Brüssel 1990, (61–69), 65.

9 Genauso gut lässt sich natürlich die Gegenfrage formulieren, ob terminologische Variation bzw. Präzisierung überhaupt erforderlich sind. Denn man könnte den genannten Problemen durchaus auch dadurch begegnen, dass man sich auf einen möglichst weiten und untechnischen Begriff des Gewohnheitsrechts verständigt, ähnlich wie es sich auch beim Gesetzesbegriff durchaus bewährt hat. Dieser methodische Ansatz wird allerdings dem Bedürfnis theoretischer Reflexion der Sprache als dem eigenen Handwerkszeug lediglich mäßig gerecht.

10 Dazu auch G. Pfeifer, Vom Wissen und Schaffen des Rechts im Alten Orient, Rechtsgeschichte 19, 2011, (263–266), 263.

11 Heute ist fast ausnahmslos entweder von regional geprägter, also etwa bayrischer oder westfälischer, oder aber von europäischer Rechtsgeschichte die Rede.

12 Dazu vor allem die Beiträge in G. Dilcher, Normen zwischen Oralität und Schriftkultur. Studien zum mittelalterlichen Rechtsbegriff und zum langobardischen Recht, B. Kannowski / S. Lepsius / R. Schulze, Köln u.a. 2008, ders. / E.-M. Distler (Hg.), Leges — Gentes — Regna. Zur Rolle von germanischen Rechtsgewohnheiten und lateinischer Schrifttradition bei der Ausbildung der frühmittelalterlichen Rechtskultur, Berlin 2006, sowie ders. / H. Lück / R. Schulze / E. Wadle / J. Weitzel / U. Wolter (Hg.), Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter, Berlin 1992; ferner A. Cordes / B. Kannowski (Hg.), Rechtsbegriffe im Mittelalter, Frankfurt am Main u.a. 2002. Die genannte Diskussion erfüllte unter anderem auch insoweit eine zeit(geist)bedingte Funktion, als sie einer seinerzeit jüngeren Generation von Rechtshistorikern erlaubte, sich von der politisch und ideologisch belasteten Beschäftigung mit dem „germanischen‟ Recht in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts abzugrenzen.

13 Dazu K. Kroeschell, „Rechtsgewohnheiten‟ — und wie es dazu kam, Rechtsgeschichte 17, 2010, (58–61), 60. Siehe aber bereits die Vorrede bei J. Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, Göttingen 1828, IX.

14 Kroeschell, „Rechtsgewohnheiten‟ (o. Anm. 13), 61; zur aktuellen Debatte siehe die Beiträge der in Anm. 2 genannten Tagung in Rechtsgeschichte 17 (2010), 15–90.

15 A. Cordes, Rechtsgewohnheiten in lübischen Gesellschaftsverträgen, in: ders. / Kannowski (Hg.), Rechtsbegriffe (o. Anm. 12), (29–41), 37.

16 G. Dilcher, Leges — Gentes — Regna. Zur Rolle normativer Traditionen germanischer Völkerschaften bei der Ausbildung der mittelalterlichen Rechtskultur: Frage und Probleme, in: ders. / Distler (Hg.), Leges — Gentes — Regna (o. Anm. 12), (15–42), 40 f.

17 Das assoziiert aber auch Fragen nach dem Verhältnis von Norm und Schrift und nach gedächtnisgebundenen Formen im Sinne oraler Rechtskultur, siehe Pfeifer, Rechtsgewohnheiten (o. Anm. 2), 82.

18 Zu denken wäre etwa an Ordal und Reinigungseid, aber auch an Rechtssymbole wie den bukānum; dazu D. O. Edzard, Die bukānum-Formel der altbabylonischen Kaufverträge und ihre sumerische Entsprechung, ZA 60, 1970, 8–53.

19 Überblick bei J. Oelsner, Art. „Klageverzicht(sklausel), RlA Bd. 6, Berlin — New York 1980–1983, 6–15. Zum Teilprojekt „Klageverzichtsklauseln in altorientalischen Vertrags- und Prozessurkunden‟ d. Verf. im Rahmen des LOEWE-Forschungsschwerpunkts „Außergerichtliche und gerichtliche Konfliktlösung‟ in Frankfurt am Main siehe unter www.konfliktloesung.eu.

20 J. Lautner, Die richterliche Entscheidung und die Streitbeendigung im altbabylonischen Prozessrechte, Leipzig 1922, bes. 35–67.

21 É. Dombradi, Die Darstellung des Rechtsaustrags in den altbabylonischen Prozessurkunden, FAOS 20, 1 und 2, Stuttgart 1996, Bd. 1, §§ 485–508.

22 Dombradi, Darstellung des Rechtsaustrags (o. Anm. 21), § 508 sowie dies., Das altbabylonische Urteil. Mediation oder res iudicata? Zur Stellung des Keilschriftrechts zwischen Rechtsanthropologie und Rechtsgeschichte, in: C. Wilcke (Hg.), Das geistige Erfassen der Welt im Alten Orient. Sprache, Religion, Kultur und Gesellschaft, Wiesbaden 2007, (245–279), 267.

23 Siehe dazu die Besprechung von G. Ries, SZ 116, 1999, (313–318), bes. 315 f.

24 Siehe M. San Nicolò, Die Schlußklauseln der altbabylonischen Kauf- und Tauschverträge, 2. Aufl. München 1974, 107 f., wo in Anm. 41 eine Vertragsgestaltung ohne Verzichtsklauseln treffend mit der Wirkung eines Eigentumsvorbehalts (jetzt § 449 Abs. 1 BGB) verglichen wird.

25 = VAB 5, 280, siehe ebd. auch den Kommentar zur Datierung; vgl. auch die Transkription und Übersetzung bei F. Thureau-Dangin, Un jugement sous Ammi-ditana, RA 7, 1909, 121–127.

26 Zum juristischen Kontext der Urkunde insgesamt siehe É. Cuq, Commentaire juridique d'un jugement sous Ammi-ditana, RA 7, 1909, 129–138.

27 TCL 1, 157, Z. 47–65: di.ku5 meš a-wa-ti-šu-nu i-mu-ru-ma / Idingir-ša-ḫé.gál nu.gig dumu-mí dé-a-illat-sú / aš-šum na4kišibki-ša ú-pá-aq-qí-ru / ar-nam i-mi-du-ši / ù ṭup-pi la ra-ga-mi-im / an-ni-a-am ú-še-zi-bu-ši / u4.kur.šètim 1sar é.dù.a / (Lagebeschreibung) / aš-ša-at ad-di-li-ib-lu-uṭ / Idingir-ša-ḫé.gál dumumeš-ša aḫ-ḫu-ša / ù ki-im-ta-ša a-na be-li-sú-nu / ù ad-di-li-ib-lu-uṭ mu-ti-ša / ú-ul i-[r]a-ag-ga-mu / mu damar.utu ù am-mi-di-ta-na šar-ri / in.pà.dèmeš (Die Richter haben ihre Angelegenheit geprüft und / der Iluša-ḫegal, der qadištu, der Tochter des Éa-ellassu, / weil sie ihr Siegel abgeleugnet hat, / ihr eine Strafe auferlegt / und diese Urkunde des Nichtklagens / haben sie sie ausstellen lassen: / Dass in Zukunft bezüglich 1 Sar bebautes Hausgrundstück, / (Lagebeschreibung) / gekauftes Gut der Bēlissunu, der nadītu des Marduk, / Ehefrau des Addi-liblut, / die Iluša-ḫegal, ihre Söhne, ihre Brüder, / oder ihre Familie gegen die Bēlissunu / und Addi-liblut, ihren Ehemann, / nicht klagen werden, bei Marduk und Ammi-ditana, dem König, / haben sie geschworen.).

28 Siehe etwa CT 2, 37 (= VAB 5, 95), Z. 19–25.

29 P. Koschaker, Babylonisch-assyrisches Bürgschaftsrecht, Leipzig 1911, 204 ff. mit Anm. 17.

30 Insbesondere J. Partsch, Griechisches Bürgschaftsrecht, Leipzig 1909.

31 Es handelt sich nicht um den bekannten Phänomenologen, sondern um dessen Sohn.

32 G. Husserl, Rechtskraft und Rechtsgeltung, Berlin 1925, 173 ff.

33 Zur Verschriftung bzw. Vertextung des ursprünglichen Sprechakts siehe auch Dombradi, Das altbabylonische Urteil (o. Anm. 22), 268.

34 Leider war es mir nicht vergönnt, Herbert Petschow persönlich kennen zu lernen. Was mir über ihn erzählt worden ist, legt den Schluss nahe, dass er über einen Beitrag wie den vorliegenden mindestens die Stirn gerunzelt hätte, nachdem er so gut wie nie das wissenschaftliche Publikum mit Halbfertigem oder nur unzulänglich zu Ende Gedachtem konfrontiert hat. Wenn sich unsereins diesen hohen Anspruch Petschows auch nicht ohne weiteres zu eigen machen kann, bleiben wir jedoch stets aufgefordert, ihn uns zumindest als Vorbild vor Augen zu halten.

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