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Staat – Gemeinde – Sekte. Soziallehren des antiken Judentums


Seiten 312 - 343

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.12.2006.0312




München

2 Siehe Ernst Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen, Gesammelte Schriften I (1912), Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 31923. Die folgenden überlegungen skizzieren einige Aspekte meiner in Vorbereitung befindlichen Monograpie einer Religionssoziologie des antiken Judentums und prüfen, ob die von Ernst Troeltsch inaugurierten Kategorien einer Religionssoziologie tragfähig sind.

3 So berichtet Ernst Josef Lesser von einem Gespräch aus dem Jahre 1919 in einem Schreiben an Marianne Weber vom 12. Juni 1922; siehe Max Weber, Briefe 1913–1914, hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen, Max Weber Gesamtausgabe (MWG II/8, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2003, S. 312f. Der Brief befindet sich im Geheimen Staatsarchiv Berlin, Nachlass Max Weber, Nr. 29, Blatt 6–9.

4 Siehe Max Weber, ebd., S. 313f. Der Brief befindet sich in der Jewish National and University Library, Autograph Collection / Max Weber.

5 Plädiert Max Weber in den Gesprächen mit Ernst Josef Lesser vor und nach dem Ersten Weltkrieg für eine rein religiöse Organisation des Weltjudentums als der jüdischen Religion angemessen, die allein Grundlage des Würdegefühls der Juden sein könne, so vertritt er eine Position, die im Reformjudentum noch zwischen den Weltkriegen häufiger anzutreffen ist; siehe Michael A. Meyer, Antwort auf die Moderne. Geschichte der Reformbewegung im Judentum, Wien: Böhlau 2000, 463ff.

6 Zu Max Webers Beschäftigung mit dem Judentum siehe Verf., Max Webers Studien des Antiken Judentums. Historische Grundlegung einer Theorie der Moderne, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2002, S. 1–245; ders., Einleitung, in: Max Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. Schriften und Reden 1911–1920, hg. von Eckart Otto, Max Weber Gesamtausgabe I/21. 1–2, Band I, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2005, S. 1—157.

7 Siehe Max Weber, Agrarverhältnisse im Altertum, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, dritte Auflage, hg. von J. Conrad, L. Elster, W. Lexis, Edg. Loening, Band I, Jena: Gustav Fischer 1909, (S. 52–188), S. 92 (wieder abgedruckt in: Max Weber, Gesammelte Aufsätze zu Sozial-und Wirtschaftsgeschichte, hg. von Marianne Weber, zweite Auflage, Tübingen: J. C. B. Mohr [Paul Siebeck] 1988, [S. 1–288] S. 86f.).

8 Siehe Max Weber, Das antike Judentum (MWG I/21. 1–2), S. 234–757.

9 Siehe Max Weber, ebd., S. 309.

10 Siehe Lazarus Goldschmidt, Der Babylonische Talmud, Band I, Berlin: Jüdischer Verlag, 1930, 309–322. Der Traktat beschäftigt sich mit Fragen und Vorschriften zur Verwendung bzw. Vernichtung von Früchten, von welchen unsicher ist, ob sie richtig verzehntet bzw. ordnungsgemäß angebaut und erworben wurden.

11 Siehe Max Weber, Das antike Judentum (MWG I/21.1), 309, Anm. 52.

12 Siehe Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlass. Teilband 2: Religiöse Gemeinschaften, hg. von Hans G. Kippenberg, Max Weber Gesamtausgabe I/22-2, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2001, S. 425.

13 Siehe Max Weber, Das antike Judentum (MWG I/21. 1→–2), S. 326 f. 701. Siehe dazu auch im folgenden.

14 Zu Max Webers Interpretation der ägyptischen Wirtschaftsethik siehe ders., ebd., S. 591–599.

15 Siehe Max Weber, ebd., S. 456f. 526f. 660. 739 und öfter.

16 Siehe dazu Verf., Max Weber (Tübingen 2002), S. 99. Zu Ernst Troeltsch siehe ebd., S. 246–271.

17 Siehe dazu Stefan Maul, Der assyrische König – Hüter der Weltordnung, in: Jan Assmann u.a. (Hg.), Gerechtigkeit. Richten und Retten in der abendländischen Tradition und ihren altorientalischen Ursprüngen, München: Wilhelm Fink Verlag 1998, S. 65–77. Auf einen komplexen Anmerkungsapparat ist im folgenden verzichtet.

18 Zu Text und übersetzung siehe Verf., Krieg und Frieden in der Hebräischen Bibel und im Alten Orient. Aspekte für eine Friedensordnung in der Modern, Stuttgart: Kohlhammer 1999, S. 43–46. Dass es sich bei diesem Text um einen Krönungshymnus handelt, hat Alasdair Livingstone (Court Poetry and Literary Miscellanea, State Archives of Assyria 3, Helsinki: University Press 1989, S. XX IIIf.) zu Recht unterstrichen. Dieser Krönungshymnus wurde in der Hebräischen Bibel in Psalm 72 rezipiert und pazifizierend uminterpretiert; siehe Martin Arneth, „Sonne der Gerechtigkeit“. Studien zur Solarisierung der Jahwe-Religion im Lichte von Psalm 72, Beihefte zur Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte 1, Wiesbaden: Harrassowitz 2000, S. 18–170.

19 Siehe dazu Verf., ebd., S. 47f.

20 Siehe dazu Verf., Die besiegten Sieger. Von der Macht und Ohnmacht der Ideen in der Geschichte am Beispiel der neuassyrischen Großreichspolitik, in: Biblische Zeitschrift (Neue Folge) 43, 1999, S. 180 – 203.

21 Zu den folgenden akkadischen und hebräischen Texten sowie ihrer rechtshistorischen Interpretation siehe Verf., Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien, Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 284, Berlin / New York: Walter de Gruyter 1999 (Nachdruck 2001), S. 15–90. Mit einer vorexilischen Rezeption des Loyalitätseides Asarhaddons in Dtn 13* rechnet jetzt auch überzeugend Thomas Römer, The So-Called Deuteronomistic History. A Sociological, Historical and Literary Introduction, London; T & T Clark 2006, S. 73 ff.

22 Siehe Simo Parpola, Assyrian Prophecies, State Archives of Assyria 4, Helsinki, University Press 1997, S. 22–27.

23 Siehe Max Weber, Das antike Judentum (MWG I/21.1), S. 354 u.ö.

24 Siehe dazu Jan Assmann, Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten ägypten, München: C. H. Beck 1990, S. 201–236. Zur politischen Theologie des alten ägypten siehe auch A.B. Kootz, Der altägyptische Staat. Untersuchungen aus politikwissenschaftlicher Sicht, MENES 5, Wiesbaden: Harrassowitz 2006 (siehe dazu die Rezension in diesem Jahrgang der ZAR).

25 Siehe dazu Verf., Mose. Geschichte und Legende, Beck'sche Reihe 2400, München: C. H. Beck 2006, S. 27–75.

26 Zu den unterschiedlichen Formen der Rechtslegitimation in Mesopotamien, ägypten, Iran und der Hebräischen Bibel siehe Verf. Die Rechtshermeneutik des Pentateuch und die achämenidische Rechtsideologie in ihren altorientalischen Kontexten, in: Markus Witte / Marie Theres Fögen (Hg.), Kodifizierung und Legitimierung des Rechts in der Antike und im Alten Orient, Beihefte zur Zeitschrift für Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 5, Wiesbaden: Harrassowitz 2005, S. 71–116, mit weiterer Literatur. Zur Rechtsgeschichte der Hebräischen Bibel siehe ders., Recht im antiken Israel, in: Ulrich Manthe (Hg.), Die Rechtskulturen der Antike. Vom Alten Orient bis zum römischen Reich, München: C.H. Beck 2003, S. 151–190.

27 Der Begriff der „Gemeinde“ wird hier im Sinne Max Webers zur Bezeichnung eines Typus der Vergemeinschaftung bzw. Vergesellschaftung verwendet, der sich von dem der verwandtschaftlichen Gemeinschaften und dem des politischen Verbandes unterscheidet, so dass Gemeindereligion weder an den Ahnenkult gebunden ist noch der sakralen Legitimation von Herrschaft durch den Verbandsgott dient; siehe dazu Max Weber, Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2) S. 194 – 203.

28 Siehe Max Weber, Wirtschaftsgeschichte. Abriss der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Berlin: Duncker & Humblot, 5. Auflage 1991, S. 308–309. Siehe dazu auch im folgenden.

29 Zur Geschichte der hebräischen und jüdischen Ethik in der Antike siehe Verf., Theologische Ethik des Alten Testaments, Stuttgart: Kohlhammer 1994.

30 Siehe Verf., ebd., S. 32–47. 208–219.

31 Siehe dazu Verf., ebd., S. 180 mit weiterer Literatur.

32 Zur Ethik des Deuteronomiums siehe Verf., Gottes Recht als Menschenrecht. Rechts- und literaturhistorische Studien zum Deuteronomium, Beihefte zur Zeitschrift für Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 2, Wiesbaden: Harrassowitz 2002, S. 92–275.

33 Zur Literatur- und Rechtsgeschichte der ältesten Rechtssammlung der Hebräischen Bibel, des sog. Bundesbuches aus dem 8. — 7. Jahrhundert v. Chr., das nachexilisch im 5. Jahrhundert v. Chr. zusammen mit dem Dekalog in Exodus 20 in die Sinaiperikope eingebunden wurde, siehe bereits Max Weber, Das antike Judentum (MWG I/21.1), S. 308–334. 417–436, sowie Verf., Wandel der Rechtsbegründungen in der Gesellschaftsgeschichte des antiken Israel. Eine Rechtsgeschichte des „Bundesbuches“ Ex XX 22 – XXIII 13, Studia Biblica 3, Leiden / New York: E. J. Brill 1988.

34 Siehe Max Weber, ebd. S. 310; vgl. auch oben I.

35 Der altbabylonischen Institution der vom König durchgeführten „Gerechtigkeitsakte“ des Schuldenerlasses im zweiten Jahrhundert v. Chr. (siehe dazu Fritz Rudolf Kraus, Königliche Verfügungen in altbabylonischer Zeit, Leiden / New York: E. J. Brill 1984) erging es im ersten Jahrtausend v. Chr. entsprechend, da in neuassyrischen Darlehensverträgen eine Klausel aufgenommen werden konnte, dass ein Gerechtigkeitsakt des Königs auf diesen Vertrag nicht anwendbar sei; siehe dazu Verf., Soziale Restitution und Vertragsrecht, in: Revue d'Assyriologie 92, 1998, S. 125–160.

36 Zu den rabbinischen Responsen zum Zinsverbot siehe Eberhard Klingenberg, Das israelitische Zinsverbot in Torah, Mišnah und Talmud, Wiesbaden: Franz Steiner 1977. Zur christlichen Rezeption, die sich schwer tat, die durch Dtn 23, 20–21 gestellte Frage zu beantworten, wer Bruder und wer Ausländer für den Christen sei, siehe Benjamin N. Nelson, The Idea of Usury. From Tribal Brotherhood to Universal Otherhood, Princeton: Princeton University Press, 2. Auflage 1969, sowie Verf., Gerechtigkeit und Erbarmen im Recht des Alten Testaments und seiner christlichen Rezeption, in: ders., Kontinuum und Proprium. Studien zur Sozial- und Rechtsgeschichte im Alten Orient und im Alten Testament, Orientalia Biblica et Christiana 8, Wiesbaden: Harrassowitz 1996, S. 342–357 (wieder abgedruckt in: Jan Assmann u.a. [Hg.], Gerechtigkeit, [München 1998], S. 79–95).

37 Siehe Max Weber, Religiöse Gemeinschaften (MWG I/22-2), S. 195.

38 Siehe Max Weber, Das antike Judentum (MWG I/21-2), S. 675–757, sowie die Einleitung und Kommentierung zu diesem Text Max Webers, der mit dieser These zur nachexilischen Gemeindebildung von der damaligen Sicht der protestantischen Alttestamentlichen Wissenschaft, insbesondere Julius Wellhausens (Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin: Georg Reimer, 6. Auflage 1905, S. 420–424), abhängig war. Zu den tragischen Zügen, die diese Sicht der jüdischen Geschichte unterstellt, siehe Verf., Tora und Charisma. Legitimation und Delegitimation des Königtums in 1 Samuel 8–2 Samuel 1 (in diesem Jahrgang der ZAR). Julius Wellhausen sah in der nachexilischen Gemeindebildung als Hierokratie auf der Grundlage der zum Gesetz erhobenen Tora einen Rückschritt gegenüber der ethischen Universalreligion der Propheten: „Von den Propheten war der Begriff in das Moralische erhoben worden. Jetzt wird er wieder materialisiert; das Moralische wird zwar nicht abgestreift, aber völlig mit dem Liturgischen vermischt“, so Julius Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin: Georg Reimer 7. Auflage 1914, S. 168. Von derartigen Werturteilen der Alttestamentlichen Wissenschaft, die gleichzeitig solche über das zeitgenössische Judentum waren, hat sich Max Weber stets ferngehalten. Schließlich hat auch Rudolph Sohms These von der Veralltäglichung des christlichen Charisma in der frühkatholischen Kirche Einfluss auf Max Webers Interpretation der jüdischen Gemeindebildung gehabt; siehe dazu Rudolph Sohm, Wesen und Ursprung des Katholizismus, Berlin: Teubner 2. Auflage 1912, S. 55 und öfter. Zur Diskussion der verschiedenen idealtypischen Verlaufsformen der „Veralltäglichung“ von Charisma bei Max Weber siehe Hubert Treiber, Anmerkungen zu Max Webers Charismakonzept, in: Zeitschrift für Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 11, 2005, S. 195–213.

39 Denen unter den Alttestamentlern, für die ein derartiger Prozess erst nach Zerstörung des Staates möglich sein darf, ist entgegenzuhalten, dass sie einen reduzierten Religionsbegriff in Anwendung bringen, der die Religion nur als Anpassung an vorlaufende, von Politik und ökonomie vorgegebene Sachverhalte begreifen kann. Ein derartiger Religionsbegriff ist als materialistisch zu bezeichnen. Dass ein solcher auf Anpassung ausgerichteter Religionsbegriff auch in der europäischen, sich säkularisiert gebenden Gegenwart nur eingeschränkt gültig ist, mag man bestreiten – allerdings kaum zu Recht. Dass aber in der Antike die Kraft zur Realitätsgestaltung den Religionen innewohnte und in besonderem Maße der jüdischen, hat nicht nur Max Weber gesehen, sondern ist für die Religionswissenschaft ein Allgemeinplatz. Es gibt keinen Zweifel, dass die religiöse Idee der vom Staat sich lösenden Gemeinde im Deuteronomium der Vernichtung des Staats voranging und überhaupt erst der Religion gestützt auf die soziale Gestalt einer Gemeinde, nachdem sie von der Funktion der Staatslegitimation sich in Teilen ideell gelöst hatte, ein überleben der Katastrophe ermöglichte.

40 Die zahlreichen rabbinischen Responsen zum Zinsverbot zeigen, dass mit der Differenzierung von Binnen- und Außenmoral in Dtn 23, 20–21 kein Freibrief verantwortungsloser Ausbeutung des Fremden gegeben war. Max Weber ging es mit der Unterscheidung von Binnen- und Außenmoral nicht um Werturteile, sondern um die Frage der religiösen „Prämierung“ ökonomischen Erfolgs.

41 Siehe Werner Sombart, Die Juden und das Wirtschaftleben, Leipzig: Duncker & Humblot 1911. Max Webers harsche Kritik an dieser Monographie zeigen die handschriftlichen Randbemerkungen in seinem ihm von Werner Sombart zugesandten Handexemplar (siehe Verf., Max Weber [Tübingen 2002], S. 20–24) sowie Max Webers Brief an Werner Sombart vom 2. Dezember 1913, in dem Max Weber versicherte, er halte an dem „‘Judenbuch’, soweit das Religiöse in Betracht kommt, ‘beinahe jedes Wort für falsch’“; siehe Max Weber, Briefe 1913–1914 (MWG II/8), S. 414.

42 Siehe dazu Bernhard Quensel, Der „spekulative Paria-Kapitalismus“ des Judentums. Max Webers These in wirtschaftsrechtlicher Rekonstruktion, in: Zeitschrift für Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 11, 2005, S. 214–273. Bernhard Quensel übersieht aber, dass Max Weber gerade der hebräischen Prophetie und levitischen Seelsorge einen hohen Anteil an der Ausformung eines okzidentalen Rationalismus zuerkannte, nicht, indem das Judentum in der Diaspora einen derartigen rationalen Geist ausgeformt hätte, sondern die Hebräische Bibel, vermittelt durch die griechische Septuaginta, Teil des christlichen Kanons wurde und so ihre Wirkung entfaltete. Siehe dazu auch im folgenden.

43 Siehe Max Weber, Das antike Judentum (MWG I/21.1), S. 243–244. Max Weber wendet den Paria-Begriff in dem um 1912 verfassten und im Rahmen der Edition in der Max Weber Gesamtausgabe publizierten Manuskript zum antiken Judentum „Ethik und Mythik / rituelle Absonderung“ aus dem Deponat Max Weber der Bayrischen Staatbibliothek München erstmals auf das Judentum an; siehe Max Weber, ebd., S. 205–206 mit textkritischer Anm. i – i. Mit der kulturhistorischen Interpretation des Judentums wehrte Max Weber konsequent eine rassische Interpretation ab, wie sie u.a. von Houston Stewart Chamberlain (Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts, München: F. Bruckmann 9. Auflage 1909, S. 323–459) vertreten wurde. Zu Max Webers Anwendung des Paria-Begriffs auf das antike Judentum und dem zeitgenössischen Kontext der Verwendung dieses Begriffes siehe Verf., Einleitung zu Max Webers antikem Judentum in: M. Weber, Das antike Judentum (MWG I/21.1), S. 66–70, sowie ders., Max Weber (Tübingen 2002), S. 43–53, 74–78, 264–269 u. ö.

44 Max Weber folgt hier insbesondere dem neuromantischen Geist der Propheteninterpretation Hermann Gunkels (Die geheimen Erfahrungen der Propheten Israels. Eine religionspsychologische Studie, in: Friedrich Daab / Hans Wegener [Hg.], Das Suchen der Zeit. Blätter deutscher Zukunft, Band I, Gießen: Alfred Oskar Töpelmann 1903, S. 112–153) sowie der religionspsychologisch konzipierten, von Wilhelm Wundts physiologischer Psychologie und Völkerpsychologie beeinflussten Interpretation Gustav Hölschers (Die Profeten. Untersuchungen zur Religionsgeschichte Israels, Leipzig: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung 1914). Zu Max Webers Propheteninterpretation siehe Verf., Die hebräische Prophetie bei Max Weber, Ernst Troeltsch und Hermann Cohen. Ein Diskurs im Weltkrieg zur christlich-jüdischen Kultursynthese, in: Wolfgang Schluchter / Friedrich Wilhelm Graf (Hg.), Asketischer Protestantismus und der „Geist“ des modernen Kapitalismus. Max Weber und Ernst Troeltsch, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2005, S. 201–253.

45 Das wird paradigmatisch an den Erzählungen über „frühe“ Propheten wie Elia und Elisa in den Samuel- und Königsbüchern deutlich, die überwiegend um Konflikte mit den Königen kreisen und die im Deuteronomium erkennbar werdende Emanzipation der Religion von der Funktion der Staatslegitimation voraussetzen. Zur literaturhistorisch späten Verortung dieser Erzählungen in den Königsbüchern siehe jetzt Thomas Römer, History (London 2006), S. 152 ff.

46 Siehe dazu Jörg Jeremias, Das Wesen der alttestamentlichen Prophetie, in: Theologische Literaturzeitung 131, 2006, S. 6–8. Nach Abschluss des Fortschreibungsprozesses im Pentateuch wurden die Diskurse von Rechtsfragen wie die, wer zur jüdischen Gemeinde zu rechnen sei, im Prophetenkanon fortgesetzt, bis auch dieser geschlossen wurde. Siehe dazu Verf., Der Pentateuch im Jeremiabuch. überlegungen zur Pentateuchrezeption im Jeremiabuch anhand neuerer Jeremialiteratur (in diesem Jahrgang der ZAR); ders., Die Tora im Jeremiabuch. Die literatur- und rechtshistorischen Relationen zwischen Pentateuch und jeremianischem Prophetenbuch, in: R. Achenbach/M. Arneth/E. Otto (Hg.), Tora in der Hebräischen Bibel. Studien zur Rezeptionsgeschichte und zur Logik diachroner Transformationen, Beihefte zur Zeitschrift für Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 6, Wiesbaden: Harrassowitz 2007 (im Druck).

47 Wenn die Redaktoren der Prophetensprüche diesen die Formel „so spricht Jahwe“ voranstellen, unterstreichen sie diesen Zusammenhang als von Gott garantiert: Das von den Propheten angekündigte Schicksal entspreche dem durch diese Ordnung gesetzten Willen Gottes. Zum gegenwärtigen Diskussionsstand der hebräischen Unheilsprophetie siehe Andreas Scherer, Vom Sinn prophetischer Gerichtsverkündigung bei Amos und Hosea, in: Biblica 86, 2005, S. 1–19, der sich zu Recht gegen Thesen wendet, die prophetischen Unheilsankündigungen als nachexilische vaticinia ex eventu zu interpretieren. Ebenso sind Thesen nicht begründet, die in den vorexilischen Propheten nur analog zu denen Assyriens Heilspropheten sehen wollen, oder nur Klagende eines ethisch nicht begründeten Unheils. Hier gilt das bereits zur Bestreitung der Möglichkeit der jüdischen Religion, sich von der Funktion der Staatslegitimation vor Vernichtung des Staates zu emanzipieren, Gesagte analog. Die Alttestamentliche Wissenschaft hat allerdings erkannt, dass die biographischen Daten in den Prophetenbüchern z.T. theologische Konstruktionen späterer Schriftgelehrter sind, die die Prophetentraditionen in den Prophetenbüchern fortschreiben. Es ist an dieser Stelle nur darauf hinzuweisen, dass die historische-kritische nichtmuslimische Erforschung des Koran eben diese Einsicht vollzieht, wenn sie im Gegensatz zu traditioneller Koranexegese die Suren des Koran nicht aus den Lebenssituationen des Propheten heraus erklären will, sondern nach literarischen und religionshistorischen Kriterien unabhängig von der Prophetenvita sucht. Auch hier hat Theodor Nöldeke wie mit der Ausgrenzung der Priesterschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft auch für die Islamwissenschaft mit der Definition derartiger Kriterien Grundlegendes geleistet.

48 Siehe Giorgio Colli, Die Geburt der Philosophie, Frankfurt/Main: Europäische Verlagsanstalt 1981, S. 41. Ein spektakuläres Beispiel der Dunkelheit der Orakel aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit ist das von Herodot (Historien I, 87) berichtete delphische Orakel an Krösus, er werde ein großes Reich zerstören, wenn er gegen Kyros den Halys überschreitet. Deutete Krösus dieses Orakel auf seinen Sieg über die Perser, so stellte sich schließlich heraus, dass er sein eigenes Reich zerstörte; siehe dazu Veit Rosenberger, Griechische Orakel. Ein Kulturgeschichte, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2001, S. 160–165. Zum Gesamtzusammenhang siehe auch Erec Robertson Dodds, Die Griechen und das Irrationale, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1970, S. 55f.

49 So Giorgio Colli, ebd., S. 43.

50 Wie sehr Max Weber mit den Alttestamentlern seiner Zeit die hebräische Prophetie im Horizont der hellenischen interpretierte, wird an seiner intensiven Rezeption der Studie des Gräzisten Erwin Rohde (Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, 2 Bände, Freiburg/Br.: J. C. B. Mohr [Paul Siebeck] Zweite Auflage 1898) deutlich.

51 Siehe dazu Verf., Ethik (Stuttgart 1994), S. 104–111, sowie ders., Die Geburt des moralischen Bewusstseins. Die Ethik der Hebräischen Bibel, in: ders. / Siegbert Uhlig, Bibel und Christentum im Orient, Orientalia Biblica et Christiana 1, Glückstadt: J. J. Augustin / Wiesbaden: Harrassowitz 1991, S. 9–28.

52 Zur Geschichte der hebräischen Weisheit in Relation zu der ägyptens und Mesopotamiens siehe Verf., Ethik (Stuttgart 1994), S. 117–175. Zu ähnlicher Entwicklung in der ägyptischen Weisheit siehe auch Jan Assmann, Ma'at (München 1990), S. 48–49. 123. 151–153. 252–253. 284–285. Die hebräische Weisheit, die im 8. Jahrhundert v. Chr. ihren Ausgangspunkt als Spruchweisheit mit der Rezeption von Teilen der ägyptischen Lehre des Amen-em-ope aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. genommen hat, rezipiert diese durch die Auflösung der klassischen ägyptischen Lebenslehre durch die als „Persönliche Frömmigkeit“ gekennzeichnete Lehre konservativ im Sinne einer Weltsicht, wie sie sich in den ägyptischen Lehren des 2. Jahrtausends v. Chr. niedergeschlagen hat, um am Ende in hellenistischer Zeit dort anzukommen, wo die ägyptische Weisheit das Amen-em-ope bereits stand. Siehe dazu Verf., Woher weiß der Mensch um Gut und Böse? Philosophische Annäherungen der ägyptischen und biblischen Weisheit an ein Grundproblem der Ethik, in: Stefan Beyerle / Günter Mayer / Hans Strauß (Hg.), Recht und Ethos im Alten Testament. Gestalt und Wirkung. Festschrift für Horst Seebass, Neukirchen-Vluyn 1999, S. 207–231; ders., Die Ethik der hebräischen Weisheit, in: Reinhard Achenbach / Martin Arneth / Eckart Otto, Tora in der Hebräischen Bibel. Studien zur Redaktionsgeschichte und zur synchronen Logik diachroner Transformationen, Beihefte zur Zeitschrift für die Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 6, Wiesbaden: Harrassowitz 2007 (in Druck).

53 Siehe dazu Verf., Recht und Ethos in der ost- und westmediterranen Antike. Entwurf eines Gesamtbildes, in: Markus Witte (Hg.), Gott und Mensch im Dialog. Festschrift für Otto Kaiser zum 80. Geburtstag, Band I, Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 345/1, Berlin / New York: de Gruyter 2004, S. 91–109; ders., Law and Ethics, in: Sarah Iles Johnston (Hg.), Religions of the Ancient World, Harvard University Press Reference Library, Cambridge / Mass.: Harvard University Press 2004, S. 84–97.

54 Siehe Verf., Recht und Ethos (FS O. Kaiser), S. 101. Wie sehr die Fabel des Pentateuch in der Achämenidenzeit des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. durch priesterliche Schriftgelehrsamkeit geprägt ist, zeigt die Stellung des postdeuteronomistischen Deuteronomiums (cf. dazu Verf., Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Licht des Deuteronomiumrahmens, Forschungen zum Alten Testament 30, Tübingen: J.C.B. Mohr [Paul Siebeck] 2000, sowie jüngst Thomas Römer, History [London 2006], S. 169 ff.) im Rahmen dieser Fabel; siehe dazu Verf., Das postdeuteronomistische Deuteronomium als integrierender Schlussstein der Tora, in: Jan Chr. Gertz / Doris Prechel / Konrad Schmid / Markus Witte (Hg.), Die deuteronomistischen Geschichtswerke. Redaktions- und religionsgeschichtliche Perspektiven zur „Deuteronomismus“-Diskussion in Tora und Vorderen Propheten, Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 365, Berlin/New York 2006 (im Druck).

55 Siehe Moses Mendelssohn, Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum. Mit dem Vorwort zu Manasse ben Israels Rettung der Juden und dem Entwurf zu Jerusalem, Philosophische Bibliothek 565, Hamburg: Felix Meiner 2005. Siehe ebd. S. VII – XLII auch die Einleitung von Michael Albrecht.

56 Siehe dazu David Sorkin, Moses Mendelssohn und die theologische Aufklärung, Jüdische Denker 4, Wien: 1999, sowie dazu Shmuel Feiner, Eine traumatische Begegnung. Das jüdische Volk in der europäischen Moderne, in: Michael Brenner / David N. Meyers (Hg.), Jüdische Geschichtsschreibung heute. Themen – Positionen – Kontroversen, München: C. H. Beck 2002, S. 105–122.

57 Siehe Josephus, Antiquitates XIII 5.9. Der Begriff der „Sekte“ wird hier im Sinne von Ernst Troeltsch (Soziallehren [Tübingen 1923], S. 362–363) gebraucht. Die in unserem Sprachgebrauch pejorativ wertende Konnotation liegt dort wie auch in diesem Zusammenhang fern. Auch soll der Begriff nicht im Sinne der Abweichung einer Minderheit von einer vorgegebenen Norm einer Mehrheit verwendet sein. Nur wenn der Begriff „Sekte“ im umgangssprachlichen Sinne pejorativ gebraucht wird, sind den Bedenken von Charlotte Hempel (Kriterien zur Bestimmung „essenischer Verfasserschaft“ von Qumrantexten, in: Jörg Frey / Hartmut Stegemann [Hg.], Qumran kontrovers. Beiträge zu den Textfunden vom Toten Meer, Paderborn: Bonifatius 2003, S. 71–85) Rechnung zu tragen. Der Gebrauch des Sektenbegriffs bei Ernst Troeltsch und Max Weber ist vom umgangssprachlichen Gebrauch weit geschieden. Auf dem Ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt am Main stellte Ernst Troeltsch in seinem Vortrag „Das stoisch-christliche Naturrecht und das moderne profane Naturrecht“ seine Typologie von Kirche, Sekte und Mystik der „Soziallehren“ zur Diskussion; siehe Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages vom 19. — 22. Oktober 1910 in Frankfurt a. M. Reden und Vorträge […] und Debatten, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1911, S. 166–192. Mit diesen drei soziologischen Typen seien drei verschiedene regulative Prinzipien der Beziehung der Gläubigen zu den Erfordernissen des natürlichen und sozialen Lebens verbunden. In der Kirche herrsche der Kompromiss vor, mit den Gesetzen der Welt zu leben, ohne den Glauben an das Reich Gottes aufzugeben, während die Sekte durch Rigorismus, der jeden Kompromiss zwischen Gottesreich und Welt ablehne, gekennzeichnet sei. In der Diskussion leitete Ferdinand Tönnies (ebd., S. 192–196) den Typus der Sekte aus dem Widerstand der Städte gegen die Macht der Kirche ab. Dem widersprach Max Weber (ebd., S. 199–200) als zu einlinig materialistisch. In der Antike seien Sekten auf dem Lande beheimatet gewesen, im Mittelalter auch in der Stadt, doch sei auf deren Boden auch der Kirchengedanke ausgebildet worden. In der Studie zum antiken Judentum (MWG I/21.2, S. 753–757) rechnet Max Weber mit einem sozialen Gegensatz von Stadt- und Landbevölkerung, der der städtischen Sektenbildung Vorschub geleistet habe, da, so in dem Vorkriegsmanuskript „Ethik und Mythik / rituelle Absonderung“ (ebd., S. 178- 209) und in der Studie „Die Pharisäer“ (ebd., S. 777–846) die strikte Einhaltung der Reinheitsvorschriften in ländlichem Kontext erschwert gewesen sei; zur Pharisäerstudie siehe Verf., Die Pharisäer. Eine werkbiographische Interpretation der gleichnamigen Studie Max Webers einschließlich des unveröffentlichten Schürer-Exzerptes BSB Ana 446, in: Zeitschrift für Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 8, 2002, S. 1–87.

58 Siehe dazu Gerd Theissen, Der jüdische Jesus, in: ders., Jesus als historische Gestalt. Beiträge zur Jesusforschung, Forschungen zu Religion und Literatur des Alten und Neues Testaments 202, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003, S. 33–131. Von diesen innerjüdischen Parteiungen in Palästina sind nochmals die Strömungen des Diasporajudentums, insbesondere in Alexandrien, das dort ein Drittel der Bevölkerung ausmachte, abzuheben.

59 Siehe dazu Hartmut Stegemann, Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus, Freiburg / Br.: Herder 4. Auflage 1994, sowie Johann Maier, Zum Stand der Qumranforschung, in: Michael Fieger / Konrad Schmid / Peter Schwagmeier (Hg.), Qumran – Die Schriftrollen vom Toten Meer, Novum Testamentum et Orbis Antiquus 47, Fribourg: Universitätsverlag / Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001, S. 23–95.

60 Demotische Papyri geben einen guten Einblick in diesen Prozess der religiösen Gemeinschaftsbildung in der ägyptischen Spätzeit; siehe dazu FranÇoise de Cenival, Les associations religieuses en égypte d'après les documents demotiques, Kairo: Institut franÇais d'archéologie orientale du Caire 1972, S. 139–213.

61 Siehe Max Weber, Das antike Judentum (MWG I/21.2), S. 753–757.

62 Siehe dazu Verf., Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, Forschungen zum Alten Testament 30, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2000, S. 156–273, sowie zusammenfassend ders., Pentateuch, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Auflage, Band VI, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2003, S. 1089–1102.

63 Siehe dazu Verf., Jeremiabuch (in diesem Jahrgang der ZAR) sowie ders., Tora (Beihefte zur Zeitschrift für Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 6) (im Druck).

64 Siehe dazu Elisha Qimron / John Strugnell (Hg.), Qumran Cave 4, Band V: Miqsat Ma'aśe ha-Torah, Discoveries in the Judean Desert 10, Oxford: Clarendon Press 1994, S. 109ff. Zur Reinheitsthematik in den Qumran-Texten cf. Hannah K. Harrington, The Purity Texts, London: T&T Clark 2004.

65 Zum priesterlichen Kontext der jüdischen Schriftgelehrsamkeit siehe Verf., Vom biblischen Hebraismus der persischen Zeit zum rabbinischen Judaismus in römischer Zeit. Zur Geschichte der spätbiblischen und frühjüdischen Schriftgelehrsamkeit, in: Zeitschrift für Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte 10, 2004, S. 1–49.

66 Siehe dazu Ernst Troeltsch, Soziallehren (Tübingen 1923), S. 362.

67 Siehe dazu Michael Fishbane, Canonical Text, Covenant Communities, and the Patterns of Exegetical Culture, in: A. D. H. Mayes / R. B. Salters (Hg.), Covenant as Context. Essays in Honour of Ernest W. Nicholson, Oxford: University Press 2003, S. 135–161. Zur Schriftauslegung in den Qumran-Texten siehe Jonathan G. Campbell, The Exegetical Texts, London; T&T Clark 2004.

68 Siehe dazu prägnant zusammenfassend Jürgen Roloff, Jesus, Beck'sche Reihe 2142, München: C. H. Beck dritte Auflage 2004, S. 60–104.

69 Siehe dazu Martin Hengel, Judentum und Hellenismus, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 10, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 2. Auflage 1973, S. 108 – 195.

70 Siehe dazu Ludger Schwienhorst-Schönberger, „Nicht im Menschen gründet das Glück“ (Koh 2, 24). Kohelet im Spannungsfeld jüdischer Weisheit und hellenistischer Philosophie, Herders Biblische Studien 2, Freiburg / Br.: Herder 1994, S. 233ff.

71 Im Gegensatz zur ägyptischen Religion, die im zweiten Jahrtausend v. Chr. die Spannung zwischen religiöser Theorie und faktischer Lebenserfahrung durch die Ausdehnung der Theorie des Zusammenhangs von Tat und Ergehen auf die jenseitige Welt des Totenreichs zu vermitteln suchte, hatte die Hebräische Bibel erst an ihrem Kanonsrand in Daniel 12 im zweiten Jahrhundert v. Chr. in der Not der Makkabäerkriege die Idee der Auferstehung rezipiert. So lastete auf der antiken jüdischen Religion ein erheblicher Druck, da eine Vermittlung von Idee und Erfahrung innerweltlich nicht gelingen konnte. Das nachbiblische Judentum hat diesen Bruch dadurch zu mindern gewusst, dass zwar die apokalyptische Naherwartung zurückgedrängt, die Auferstehungshoffnung aber sich durchsetzte.

72 Das Bild jüdischer Lebensstile, die sich auf die ihnen jeweils zugrundeliegenden unterschiedlichen Stile und Techniken der Schriftauslegung berufen (siehe Verf., Schriftgelehrsamkeit [ZAR 10], 13ff), werden noch erheblich vielfältiger, wenn das Diasporajudentum in Syrien, Mesopotamien, Kleinasien, Griechenland, Italien und vor allem ägypten mit Zentrum in Alexandrien einbezogen wird. Autoren des hellenistischen Judentums standen in besonderer Weise vor der Aufgabe, angesichts des Modernisierungs- und Rationalisierungsschubs, der durch die hellenistische Philosophie als Antrieb auf den Begriff gebracht wurde, Abgrenzungen der Identitäswahrungen und gleichzeitig Assimilation in kulturhistorisch fremder Umwelt zu leisten. Hellenistischjüdische Autoren gingen defensiv durch Sicherung, Interpretation, Verteidigung und Aktualisierung der biblischen Traditionsbestände vor und gleichzeitig offensiv durch den Aufweis der sittlichen, religiösen und kulturellen überlegenheit ihrer Tradition über die hellenische und hellenistische Philosophie, die auf jüdische Vorgaben, so die gesamte hellenistische Paideia auf Mose als Lehrer der hellenischen Philosophen und seine Tora zurückgeführt wurden. Siehe dazu Reinhard Weber, Das Gesetz im hellenistischen Judentum. Studien zum Verständnis und zur Funktion der Thora von Demetrios bis Pseudo-Phoklides, Arbeiten zur Religion und Geschichte des Urchristentums 10, Frankfurt / Main: Peter Lang 2000.

73 Siehe Verf., Schriftgelehrsamkeit (ZAR 10), S. 39ff. mit weiterer Literatur.

74 Im frühen Christentum lebte dagegen die apokalyptische Theologie, die schon Jesus leitete (Lukas 10, 18), fort und wurde erst durch die Integration des Naturrechts endgültig überwunden. Siehe dazu Walter Jaeschke, Die Suche nach den eschatologischen Wurzeln der Geschichtsphilosophie. Eine historische Kritik der Säkularisierungsthese, Beiträge zur evangelischen Theologie 76, München: Chr. Kaiser 1976, S. 154ff.

75 Siehe Amnon Raz-Krakotzkin, Geschichte, Nationalismus, Eingedenken, in: Michael Brenner / David N. Meyers (Hg.), Jüdische Geschichtsschreibung (München 2002), S. 181 – 206.

76 Siehe Amnon Raz-Krakotzkin, ebd., S. 186. Es ist schon paradox, dass 150 Jahre zuvor Heinrich Graetz den christlichen Historikern den Vorwurf nicht ersparen konnte, 1200 Jahre jüdischer Diasporageschichte, die von großer theoretischer, wissenschaftlicher und philosophischer Kreativität gewesen sei (siehe dazu Heinrich Graetz, Geschichte der Juden von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart, Bd IV, Leipzig: Oskar Leiner 4. Auflage 1908, S. 4–5), ins Grab herabgelassen und der jüdischen Geschichte den Totenschein ausgestellt habe; siehe Heinrich Graetz, Die Konstruktion der jüdischen Geschichte (1864), hg. von Nils Römer, Düsseldorf: ParErga 2000, S. 42.

77 Siehe dazu Michael Wolffsohn, Wem gehört das Heilige Land? Die Wurzeln des Streits zwischen Juden und Arabern, München: Piper 2002.

78 Siehe Amnon Raz-Krakotzkin, ebd., S. 187.

79 Siehe dazu Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt / Main: Suhrkamp 1966.

80 Zu der zunehmenden Zahl jüdischer Studien der jüngsten Zeit, die Judentum und Christentum als Religionen in einem gemeinsamen diskursiven Rahmen verstehen, siehe Shmuel Feiner, Traumatische Begegnung (München 2002), S. 105—112.

81 Siehe dazu paradigmatisch Michael Brenner, Warum München nicht zur Hauptstadt des Zionismus wurde – Jüdische Religion und Politik um die Jahrhundertwende, in: ders. / Yfaat Weiss (Hg.), Zionistische Utopie – israelische Realität. Religion und Nation in Israel, Beck'sche Reihe 1339, München: C. H. Beck 1999, S. 39–52.

82 Siehe oben I. Doch wie die Revitalisierung der Sprache des Hebräischen zeigt, die bereits in persischer Zeit vom Aramäischen als Alltagssprache verdrängt zu einer heiligen Sprache wurde, wurde auch Sakrales im Zionismus nur profan verhüllt. Für das traditionelle Judentum war das Wiedererwachen des Hebräischen an die messianische Zeit als Ende der Geschichte gebunden.

83 Zitiert nach Shmuel Feiner, ebd., S. 105.

84 Siehe dazu Verf., Jerusalem. Die Geschichte der Heiligen Stadt bis zur Kreuzfahrerzeit, Urban-Reihe 308, Stuttgart: Kohlhammer 1980, sowie Gershom Shaked, Jerusalem in der hebräischen Literatur: Himmlische und irdische Stadt, in: Michael Brenner / Yfaat Weiss (Hg.), Zionistische Utopie (München 1999), S. 102–122.

85 Schon in der Antike zeigt die Vermeidung des jüdischen Gottesnamens die Tendenz zur Transzendierung des Gottesbegriffs. Wenn Moses Maimonides (1135–1204) versuchte, das mosaische Gesetz aus der Vernunft abzuleiten, so stand dieser die Idee der sittlichen Autonomie der Vernunft in der Aufklärung vorwegnehmende Gedanke einer Säkularisierung theonomer Ethik im Dienste der Wahrung der Transzendenz des jüdischen Gottes.

86 Siehe dazu Verf., Hat Max Webers Religionssoziologie des antiken Judentums Bedeutung für eine Theologie des Alten Testaments?, in: Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 94, 1982, S. 187 – 203.

87 Siehe Verf., Ethik (Stuttgart 1994), S. 71–116.

88 Siehe dazu Verf., Säkularisierung im Judentum, in: Hans Joas / Ernst Peter Fischer (Hg.), Säkularisierung und die Weltreligionen, Fischer Taschenbuch, Frankfurt / Main: S. Fischer Verlag 2007 (im Druck).

89 Siehe Ernst Troeltsch, Der Historismus und seine Probleme I: Das logische Problem der Geschichtsphilosophie, Gesammelte Schriften III, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922, S. IX; siehe dazu auch Ferdinand S. Tönnies, Troeltsch und die Philosophie der Geschichte, in: ders., Soziologische Studien und Kritiken. Zweite Sammlung, Jena: Gustav Fischer 1926, (S. 381–429) 429.

90 Noch in extrem säkularisierter Gestalt in der Philosophie des jüdischen Denkers Ernst Bloch schlägt dieser Kern utopisch-messianischer Unangepasstheit durch; siehe dazu Ulrich Sieg, Jüdische Intellektuelle im Ersten Weltkrieg. Kriegserfahrungen, weltanschauliche Debatten und kulturelle Neuentwürfe, Berlin: Akademie Verlag 2001, 274ff., zu „Geschichtsverzweiflung und jüdischem Messianismus“.

91 Die sophokleische überordnung der „ungeschriebenen Gottgebote, die wandellosen, die nicht von heute oder gestern stammen“ (Antigone, V. 471–473), über das positive Recht führt dagegen zur Theorie eines Naturrechts, die im Deuteronomium durch die Einbindung in eine an Mose als Prophet gebundene Offenbarungstheorie verhindert wurde. Zur Rezeption der biblischen Emanzipation der Religion von der Funktion der Staatslegitimation vermittelt durch die Toleranzdiskussion in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts in der englischen Staatsrechtstheorie des 17. Jahrhunderts siehe Verf., Human Rights. The Influence of the Hebrew Bible, in: Journal of Northwest Semitic Languages 25/1 (in memoriam volume for Hannes Olivier), 1999, S. 1–20.

92 Friedrich Gogartens Unterscheidung von Säkularismus und Säkularisierung bleibt nach wie vor so hilfreich, da sie die theologisch positiven Aspekte der „Entzauberung“ traditionellen Weltverständnisses von Formen der fehlgeleiteten Religionsvernichtung abgrenzt. Siehe dazu Friedrich Gogarten, Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit. Die Säkularisierung als theologisches Problem, Stuttgart: Friedrich Vorwerk, zweite Auflage 1958, S. 85ff. Diese Studie dürfte aller Kritik, so durch Hans Blumenberg (siehe oben Anm. 78) und Walter Jaeschke (siehe oben Anm. 73), zum Trotz ihre Bedeutung eher noch steigern, wenn es um die Korrelierung der gegenwärtig so gegenläufigen Prozesse von Säkularisierung und (Re-)Theologisierung gerade in den weltweiten Fundamentalismen geht.

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