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Die Prophezeiungen des Mose in Deuteronomium 28–32


Seiten 147 - 179

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.20.2014.0147




Münster

1 L. Perlitt, Mose als Prophet, EvTh 31, 1971, 588–608; ND in ders., Deuteronomium-Studien, FAT 8, Tübingen 1994, 1–19; R. Achenbach, „A Prophet like Moses‟ (Deuteronomy 18:15) – „No Prophet like Moses‟ (Deuteronomy 34:10): Some Observations on the Relation between the Pentateuch and the Latter Prophets, in: T. Dozeman / K. Schmid / B. J. Schwartz (Hg.), The Pentateuch. International Perspecitves on Current Research, FAT 8, Tübingen 2011, 435–458.

2 Zur neueren Diskussion um die Redaktionsgeschichte des Jesajabuches und des Dodekaprophetons vgl. R. G. Kratz, Prophetenstudien. Kleine Schriften II, FAT 74, Tübingen 2011; R. Albertz / J. D. Nogalski / J. Wöhrle (Hg.), Perspectives on the Formation of the Book of the Twelve. Methodological Foundations – Redactional Processes – Historical Insights, BZAW 433, Berlin / Boston 2012.

3 Die narrative Brücke, durch die das Heiligkeitsgesetz an die priesterschriftliche Erzählung angeschlossen worden ist, führt über Lev 10 und 16; die Auffüllung der Zwischenräume durch eigene Sammlungen wird dabei noch nicht vorausgesetzt. Die pauschale Zuweisung der Materialien von Lev 1–7 und 11–15 zu einer Ergänzungsschicht von P setzt das durch Nöldecke und Wellhausen begründete Bild der Priesterschrift voraus, deren Wachstumsgeschichte sich weitgehend unabhängig vom Pentateuch vollzieht; das trifft für die in Lev 1–7 und 11–15 versammelten Traditionen zu, nicht aber für deren literarische Komposition. Schon C. Nihan, From Priestly Torah to Pentateuch, FAT 2. Reihe 25, Tübingen 2007, hat allerdings festgestellt, dass eine Reihe von Materialien in diesen Kapiteln relativ spät hinzugekommen ist.

4 Je unter verschiedenen Prämissen ist in der literarkritischen Forschung ein Wachstum des Kapitels seit jeher vermutet worden, vgl. A. F. Puukko, Das Deuteronomium. Eine literarkritische Untersuchung, BWAT 5, Leipzig 1910, 225; J. Hempel, Die Schichten des Deuteronomiums. Ein Beitrag zur israelitischen Literatur- und Rechtsgeschichte, Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte 33, Leipzig 1914, 252; G. Hölscher, Komposition und Ursprung des Deuteronomiums, ZAW 40, 1922, 161–255; C. Steuernagel, Das Deuteronomium, HK I/3,1, Göttingen, 2. Aufl. 1923, 150–156; M. Noth, Die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch, in: ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament, ThB 6, München 1957, 155–171; G. Seitz, Redaktionsgeschichtliche Studien zum Deuteronomium, BWANT 93, Stuttgart u.a. 1971, 276–289. Auch nachdem man sich zunehmend des Gewichtes eines kulturellen und formgeschichtlichen Einflusses altorientalischer Fluchsequenzen insbesondere aus Vasallitätsverpflichtungen der neuassyrischen Zeit bewusst wurde (so programmatisch H. U. Steymans, Deuteronomium 28 und die adě zur Thronfolgeregelung Asarhaddons. Segen und Fluch im Alten Orient und in Israel, OBO 145, Freiburg [Schweiz] / Göttingen 1995; ders., Die neuassyrische Vertragsrhetorik der „Vassal Treaties of Esarhaddon‟ und das Deuteronomium, in: G. Braulik (Hg.), Das Deuteronomium, ÖBS 23, Frankfurt a.M. 2003, 89–152; ders., Die literarische und historische Bedeutung der Thronfolgevereidigung Asarhaddons, in: M. Witte u.a. (Hg.), Redaktions- und religionsgeschichtliche Perspektiven zur „Deuteronomismus‟-Diskussion in Tora und Vorderen Propheten, BZAW 365, Berlin / New York 2006, 331–350; E. Otto, Treueid und Gesetz. Die Ursprünge des Deuteronomiums im Horizont neuassyrischen Vertragsrechts, ZAR 2, 1996, 1–52; ders., Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien, BZAW 284, Berlin / New York 1999 u.ö.), war man sich im Klaren darüber, dass die mehrfache dtr Überarbeitung des dtn Kerns des Deuteronomiums auch Spuren in den Segen- und Fluchkapiteln hinterlassen hatte. C. Koch, Vertrag, Treueid, Bund. Studien zur Rezeption des altorientalischen Vertragsrechts im Deuteronomium und zur Ausbildung der Bundestheologie im Alten Testament, BZAW 383, Berlin / New York 2008, 171–247, kommt zu dem Ergebnis, dass der Grundtext (v. 1–6*.15–44*) eine Erweiterung in mindestens zwei großen Schüben durch v. 45–57 und v. 58–68 erfahren hat (sek. v. 1b.2b.20bβγ.25b.35b.37bβ). Eine detaillierte Exegese der einzelnen Elemente kann hier aus Raumgründen nicht erfolgen.

5 Die Wiedergabe des Textes soll der Orientierung bei der strukturellen Erfassung der nur kursorisch behandelten Perikopen dienen und folgt weitgehend der Übersetzung der Zürcher Bibel, Zürich 2007.

6 Die Verwirrung (hebr. מהומה) und Vernichtung (hebr. שׁמד, nif.) infolge der militärischen Eroberung, die ursprünglich die Völker des Landes getroffen hat (Dtn 7,23; Dtn 12,30), wird nun auf Israel übergehen (Dtn 28,20.24); vgl. zu מהומה auch 1 Sam 5,9.11; Jes 22,5; Ez 22,5; Am 3,9; zu שׁמד nif. vgl. Dtn 28,45.51.61; Jer 48,8; Dtn 4,26. Das göttliche Schelten, das sonst dem Meer und dem Feindeschaos gilt (Ps 106,9; Ps 9,6; 68,31), gilt nun Israel.

7 C. Koch, Vertrag (s.o. Anm. 4) 184: „In V. 20 wird in großer einmütigkeit der den Fluch begründende Satz […] ausgeschieden.‟

8 C. Koch, Vertrag (s.o. Anm. 4) 185, hält den Vers darum für eine „vom Jeremiabuch beeinflusste Glosse‟, übergeht dabei allerdings die für die Kontextanbindung wichtige kompositorische Funktion des Halbverses bzw. das inhaltliche Anliegen des Verses.

9 C. Koch, Vertrag (s.o. Anm. 4) 189.242, hält den Vers für sekundär; aufgrund der Parallelen zu Jer 15,4; 24,9; 29,18; 34,17 sei sie sekundär im Dtn eingedrungen. Aber auch v. 26 weist Parallelen zu Jer 7,33 auf. Eine Abhängigkeit ist nicht eindeutig auszumachen.

10 שׁחין – Geschwür: Ex 9,9.10.11; Lev 13,18–20.23; Dtn 28,27.35; 2 Kön 20,7 // Jes 38,21; Hi 2,7.

11 שׁגעון – Wahnsinn: 2 Kön 9,20; Sach 12,4. עורון –Blindheit: Sach 12,4. תמהון –Verwirrung: Sach 12,4!

12 Thr 4,14; vgl. Hag 2,12; Jes 59,3.

13 Zum Motiv des Aussatzes vgl. Thr 4,15.

14 SAA II, 6.

15 C. Koch (s.o. Anm. 4) 216–242.

16 C. Koch sieht in v. 36a.bα* einen inversiven Rückbezug zu v. 25f.; in beiden Texten sind nach Koch die Nachwirkungen einer mit Ninurta konnotierten Fluchmotivik erkennbar. Zugleich wird aber mit v. 25f. ein Argumentationsgang eingeleitet, in dem sowohl Parallelen zu Motiven aus EST § 56 als auch zu dem Fluch der assyrisch-aramäischen Bilingue von Tell Feheriye zu beobachten (Vertrag [s.o. Anm. 4] 235), zudem auch zu einer Sequenz aus den Sefiretexten, Sf I A:27f., vgl. Dtn 28,38–42* (ebd., 236). An dem Kompositcharakter der Sprache, in der sich Spuren aus einer langen Traditionskette von Fluchtexten niedergeschlagen haben, wird erkennbar, dass die Verwendung der Fluchsequenzen nicht in unmittelbaren sprachlichen Abhängigkeitsverhältnissen verlaufen und darum ihr Vorkommen erstens keine eindeutigen Rückschlüsse auf eine Datierung zulässt und zweitens nicht zwingend mit einer literarischen Schicht in Verbindung gebracht werden kann. Die weitere Entwicklung zeigt vielmehr, dass auch in der neubabylonischen und persischen Epoche im Zuge der Eidesleistungen bestimmte Fluchsequenzen weiterhin in Gebrauch geblieben sind und über die Kulturgrenzen des semitischen Sprachraums hinaus analog auch im ionisch-griechischen Bereich Verwendung gefunden haben; vgl. R. Achenbach, Symmachieeide in dem Kampf zwischen persischer Reichsautorität und lokalen Autonomiebestrebungen, ZAR 19, 2013, 137–153; S. Scharff, Eid und Außenpolitik. Zur religiösen Fundierung der Akzeptanz zwischenstaatlicher Vereinbarungen bei den Griechen von der archaischen Zeit bis zum Tag von Eleusis, Diss. Münster, 2012.

17 Vgl. Jer 27f., s.u.

18 V. 36b.37bβ hält C. Koch für redaktionell (Vertrag [s.o. Anm. 4] 242).

19 Der Gedanke hat seine Wurzeln in der Nötigung, den Zusammenbruch der Königreiche Israel und Juda unter dem Druck der neuassyrischen Herrschaft religiös zu verarbeiten. Vgl. hierzu R. S. Salo, Assur als Werkzeug Gottes im Alten Testament, in: M. L. G. Dietrich u.a. (Hg.), Religion und Krieg, MARG 22, Münster 2015 (im Druck).

20 C. Koch, Vertrag (s.o. Anm. 4) 236, Anm. 651.

21 Zum Motiv der universalen Zeugenschaft der Könige der Erde vgl. Thr 4,12f.

22 C. Koch, Vertrag (s.o. Anm. 4) 192, stellt in Auseinandersetzung mit der These, die Fluchsequenzen böten einen einheitlichen Text, fest, dass „der Fluchteil des Kapitels in wenigstens drei großen Schüben nach hinten gewachsen ist (V. 15–44; 45–57; 58–68 [69]).‟ Damit verlagert sich die Untersuchung der Motivcluster und Sequenzen auf die Ebene der Traditionsgeschichte, die eingehendere Vergleiche sowohl der Conditiones ermöglicht (206–208), aber auch im Bereich der Fluchtexte selbst (zu Dtn 28,23f. und EST § 63f. 209–216; zu Dtn 28,25–34 und EST § 39–42 216–231; zu Dtn 28,20–44 und EST § 56 232–242).

23 Aischines, Ktes. 110–111; Acharnai–Inschrift, 4. Jh.; vgl. S. Scharff, Eid und Außenpolitik (s.o. Anm. 16); R. Achenbach, Symmachieeide (s.o. Anm. 16).

24 Die literarische Brücke der Pentateuchredaktion führt über Dtn 32,48–52 — 34,1a* (Nebo) zu 34,10–12. Analog zum Jakobssegen in Gen 49 wurde dann zunächst Dtn 33 der Mosesegen hinzugefügt, vermutlich bevor die Erweiterung durch das Moselied eintrat.

25 T. Hieke, Levitikus 16–27, HThKAT, Freiburg im Breisgau 2014, 1058: „Im Unterschied zu den Formulierungen in Dtn 28, wo Mose die Rolle des altorientalischen Herrschers übernimmt, ist es in Lev 26 Jhwh selbst, der ‚Verheißungen’ und ‚Drohungen’ äußert. Damit ist die altorientalische Tradition zu einem durch Mose vermittelten prophetischen Orakel transformiert worden.‟ Zur Einzelheiten der Analyse und der Diskussion über die literarhistorische Einordnung des Kapitels sei auf die Sekundärliteratur verwiesen, i.e., J. Milgrom, Leviticus 23–27, AB 3B, New York u.a. 2001, 2272–2365(nimmt eine hiskianische und eine exilische Schicht an); entschieden für eine redaktionelle Komposition und Funktion des Heiligkeitsgesetzes votiert Eckart Otto, Innerbiblische Exegese im Heiligkeitsgesetz Leviticus 17–26, in: H.-J. Fabry / H.-W. Jüngling (Hg.), Leviticus als Buch, BBB 119, Berlin / Bodenheim 1999, 125–196; ders., Das Ende der Toraoffenbarung: Die Funktion der Kolophone Lev 26,46 und 27,34 sowie Num 36,13 in der Rechtshermeneutik des Pentateuch, in: M. Beck / U. Schorn (Hg.) Auf dem Weg zur Endgestalt von Genesis bis II Regum, FS Hans-Christoph Schmitt zum 65. Geburtstag, BZAW 370, Berlin / New York 2006, 191–201; zur weiteren Diskussion vgl. C. Nihan, From Priestly Torah (s.o. Anm. 3) 535–545; ders., The Priestly Covenant, Its Reinterpretations, and the Composition of „P‟, in: S. Shectman / J. S. Baden (Hg.), The Strata of the Priestly Writings. Contemporary Debate and Future Directions, AThANT 95, Zürich 2009, 87–134; J. Stackert, The Sabbath of the Land in the Holiness Legislation: Combining Priestly and Non-Priestly Perspectives, CBQ 73, 2011, 239–250; ders., Distinguishing Innerbiblical Exegesis from Pentateuchal Redaction: Leviticus 26 as a Test Case, in: T. B. Dozeman / K. Schmid / B. J. Schwartz (Hg.), The Pentateuch. International Perspectives on current Research, FAT 78, Tübingen 2011, 369–386; R. Müller, A Prophetic View of the Exile in the Holiness Code: Literary Growth and Tradition History in Leviticus 26, in: E. Ben Zvi / C. Levin (Hg.), The Concept of Exile in Ancient Israel and its Historical Contexts, BZAW 404, Berlin / New York 2010, 207–228; T. Hieke, Levitikus 16–27 (s.o.) 1047–1102.

26 Vgl. die Komposition in Amos 4,4–12, die refrainartig hervorhebt: „Dennoch seid ihr nicht zu mir umgekehrt! Spruch Jhwhs.‟ (v. 6b.8b.9b.10b.11b)

27 R. Achenbach, Das Heiligkeitsgesetz und die sakralen Ordnungen des Numeribuches im Horizont der Pentateuchredaktion, in: T. Römer (Hg.), The Books of Leviticus and Numbers. Colloquium Biblicum Lovaniense LV, BEThL 215, Leuven / Louvain 2008, 145–175.

28 Zur Unterscheidung dieser ersten, formativen Kraft der Pentateuchredaktion von der Hexateuchredaktion vgl. E. Otto, Das Deuteronomium im Pentateuch und im Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumrahmens, FAT 30, Tübingen 2000.

29 Die Darstellung geht (wie auch das Heiligkeitsgesetz) entgegen der Theorie von Dtn 10,8–10, nach der den Leviten insgesamt die priesterliche Verantwortung übergeben wurde, von einer Differenzierung der levitischen Geschlechter in die hohepriesterliche Familie der Nachkommen Aarons und den übrigen Geschlechtern als eines Clerus minor aus, vgl. Num 16–17.

30 Hier und da ist die Dichtung durch unmittelbare Anreden in der 2. Person mit dem Rahmen verzahnt, wodurch einerseits ihre Funktion als „Lehrgedicht‟ markiert wird (vgl. v. 6b.7.14b*.15aβ.18), andererseits aber auch die Anerkenntnis der schriftgelehrten Redaktion, dass die Dimension des eingefügten Textes über alles hinausragt, was sie selbst „von Mose‟ zu sagen gewusst hätten. Ich danke an dieser Stelle der Doktorandin Frau Petra Schmidtkunz für ihre Hinweise und Anregungen aus ihrem Vortrag „Zum Gedankengang des Moseliedes‟ vor der alttestamentlichen Sozietät Münster am 22.10.2014. Im Folgenden kann keine komplette Analyse des Textes vorgelegt werden. Die Forschung im vorigen Jahrhundert hat noch des Öfteren eine vordtr Abfassung erwogen (vgl. hierzu den Literaturbericht von H. D. Preuss, Deuteronomium, EdF 164, Darmstadt 1982, 165–169. 240–241). Die jüngst erneut von J. R. Lundbom, Deuteronomy. A Commentary, Grand Rapids, MI / Cambridge 2013, vertretene These, das Moselied sei die ursprüngliche unter Josia aufgefundene Schrift, welche die Grundlage für den josianischen Bundesschluss gebildet habe, hat keine Gefolgschaft gefunden. Dass die Dichtung erst in einer späten Formationsphase des Buches eingefügt wurde, ist schon daran erkennbar, dass seine Rahmung die Integration des Deuteronomiums mit der Priesterschrift voraussetzt (vgl. Dtn 32,48–52). T. Römer, The So-Called Deuteronomistic History. A Sociological, Historical and Literary Introduction, London / New York 2005, 181, nimmt darum an, dass die Einfügung erst im Zuge einer integrierten Pentateuchedition des Deuteronomiums anzusetzen ist. Davon geht auch die in dieser Frage weiterführende Interpretation von S. Paganini, Deuteronomio: nuova versione, introduzione e commento, I Libri Biblici (Primo Testamento) 5, Milano 2011, 422–443, aus, der darauf verweist, dass schon der Erzählduktus in 31,30–32,3 davon ausgeht, dass die Niederschrift des Gesetzes insgesamt vorliegt: „La legge è completata, il cantico è terminato, presto finirà anche la vita di Mosè e anche la peregrinazione nel deserto‟ (431). Mit großer Klarheit hat den synthetischen Kompositcharakter schon J. Luyten, Primeval and Eschatological Overtones in the Song of Moses (Dt 32:1–43), in: N. Lohfink (Hg.), Das Deuteronomium. Entstehung, Gestalt und Botschaft, BEThL LXVIII, Leuven / Louvain 1985, (342–347), 347 beschrieben: „The actual framework of the Song probably belonged originally to a more ancient poem, which was a real law-suit against Israel, and which may have been used as building material by the great architect of the final form of the Song. In any case, the great variety of motifs, the richness of vocabulary, the flamboyant style, the broad spectrum of parallels with all kinds of biblical literature strongly suggest that the song of Moses of Dt 32 is the work of someone who was versed in the law and the prophets, in psalm and wisdom literature, of someone who was a forerunner of the apocalypticists, the men especially interested in the beginning and the end, in primeval history and eschatology.‟

31 Die Komplexität der Form wird schon im Proömium deutlich, vgl. H. Irsigler, Das Proömium im Moselied Dtn 32. Struktur, Sprechakte und Redeintentionen von V. 1–3, in: R. Schulz u.a. (Hg.), Lingua restituta orientalis. Festgabe für Julius Aßfalg, ÄAT 20, Wiesbaden 1990, 161–174; weitere Überlegungen zur Form bei C. J. Labuschagne, The Setting of the Song of Moses in Deuteronomy, in: M. Vervenne u.a. (Hg.), Deuteronomy and Deuteronomic Literature, BEThL 133, Leuven / Louvain 1997, 111–129. Den hymnischen Charakter hat schon S. Carrillo Alday, Género literario des Cántico de Moisés (Dt. 32), in: Est. Bibl. 26, 1967, 69–75, deutlich herausgearbeitet. Auf Elemente der Gerichtsreden mach S. Paganini, Deuteronomio (s.o. Anm. 29) 432, aufmerksam unter Verweis auf B. Gemser, The Rib- or Controversy-Pattern in Hebrew Mentality, in: M. Noth / D. W. Thomas (Hg.), Wisdom in Israel and in the Ancient Near East, Leiden 1969, 120–137. Anklänge an Elemente der Disputationsreden verschiedener Prophetenschriften sind erkennbar, so an Jeremia (vgl. Jer 2,28 / Dtn 32,37; Jer 4,22 / Dtn 32,28; Jer 8,17 / Dtn 32,24; Jer 5,7 / Dtn 32,21; Jer 15,14 / Dtn 32,22) oder Dt.-Jesaja (Jes 43,1.7 / Dtn 32,6; Jes 43,12 / Dtn 32,12; Jes 44,2 / Dtn 32,15 (Jeschurun); Jes 51,1 / Dtn 32,18) oder jüngere Texte des Jesajabuches (Jes 1,2 / Dtn 32,1; Jes 13,22 / Dtn 32,35; Jes 34,5f. / Dtn 32,42 (vgl. Jer 46,10). Insbesondere fällt die eigenständige Weiterführung der Götzenpolemik und der programmatischen monotheistischen Aussagen auf (Dtn 32,17.39), die an Dtn 31,17 und Jes 44,6; 45,5.14.21; 46,9 anknüpft. Die Vorstellung der Offenbarung göttlicher Rede im Hymnus beherrscht die Gathas des Zarathustra. Sie findet sich im Alten Testament in besonderen Stücken wie der Jes 12; 24–27; 33–35; 63,7–64,11; Nah 1; Hab 3.

32 צור als Metapher für Gott ist weiterhin belegt im Lied der Hannah (2 Sam 2,2), im Hymnus des David (2 Sam 22,3.32.47 par. Ps 18,3.32.47) und in den sog. „letzten Worten Davids‟ (2 Sam 23,3!), weiterhin in Jes 17,10; 26,4; (44,8); Hab 1,12; und den Davidspsalmen Ps 19,15; 28,1; 31,3; 62,3.7.8; 144,1 sowie Ps 71,3; 73,26; 78,35; 89,27; 92,16; 94,22; 95,1. Nähere Untersuchungen des Motivs haben vorgelegt M. P. Knowles, „The Rock, His Work is Perfect‟: Unusual Imagery for God in Deuteronomy XXXII, VT 39, 1989, 307–322; G. Fischer, „Der Fels‟. Beobachtungen im Umfeld einer theologischen Metapher, in: C. Karrer-Grube u.a. (Hg.), Sprache — Bilder — Klänge. Dimensionen der Theologie im Alten Testament und in seinem Umfeld, FS Rüdiger Bartelmus, AOAT 359, Münster 2009, 23–33.

33 Hierzu K. Koch, Weltordnung und Reichsidee im alten Iran und ihre Auswirkungen auf die Provinz Jehud, in: P. Frei / K. Koch, Reichsidee und Reichsorganisation im Perserreich, 2. Aufl., OBO 55, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1996, 133–317. 197: „Die von Ahuramazda dem Großkönig übertragene Herrschaft und das daran gekoppelte Gesetz (dātā-) wird schon in der Bisotun-Inschrift auf alle Völkerländer bezogen; eine Gliederung der dem persischen König unterstellten Erde in dahyāva erscheint als selbstverständlich und gottgewollt. Zu den Titeln, die er sich beilegt, gehört deshalb nach „Großkönig, König der Könige‟ auch „König in Persien / der Perser, König der Völker / der Länder‟. Anschließend zählt Dareios 23 dahyāva auf, die ihm der vašna- des Schöpfers zugeteilt hat, damit sie sein Gesetz erfüllen (DB I 1–24; dreisprachig).” Koch vermutet, dass die Zahlen der Völkerschaften mit astralgeographischen Vorstellungen der Antike konizidieren (ebd., 198–202). Allerdings ist das historische Material letztlich komplexer und lässt keine glatte Rekonstruktion entsprechender Muster zu, vgl. H. Klinkott, Der Satrap. Ein achaimenidischer Amtsträger und seine Handlungsspielräume, Oikumene. Studien zur antiken Weltgeschichte 1, Frankfurt a.M. 2005, 47–132.

34 Am Ende des Hymnus heißt es in einem weiteren Qumranfragment 4QDeutq, col. II: frg. 5 ii,6–7: אלהים הרנינו שׁמים עמו והשׁתחוו לו כל — „Jauchzet, ihr im Himmel, sein Volk, huldigt ihm alle zu Gott gehörigen.‟ Der MT vereinfacht klärend: הרנינו גוים עמו — „Jauchzet, ihr Völker, als sein Volk!‟ An dieser Stelle scheint LXX gegenüber der Qumranvariante vermutlich die ursprüngliche Form tradiert zu haben: εὐφράνθητε οὐρανοί ἅµα αὐτῷ ϰαὶ προσκυνησάτωσαν αὐτῷ πάντες υἱοὶ θεοῦ. Der ursprüngliche Text des Hymnus geht demnach von der Vorstellung aus, dass im himmlischen Thronrat himmlische Wesen, genannt die „Gottessöhne‟ bzw. „Gotteskinder‟ die Völker der Welt repräsentieren. Dem gegenüber stehen die Götzen, die „Götter‟ (אלהים) der fremden Völker, als menschliche Machwerke, die als solche nicht als Götter zu bezeichnen sind. Über sie wird nach Dtn 32,39 das vernichtende Urteil ergehen, da sie neben Jhwh nicht bestehen können (vgl. Ps 82,1 MT). In der der Version des Qumran-Textes enthält der Vers eine Anspielung an Ps 97,7.

35 Auch hier schimmert noch die Vorstellung durch, dass der Thron Jhwhs von himmlischen Wesen (שׁדי) umgeben war, wie wir aus der bekannten Inschrift von Tel Deir ‘Alla wissen.

36 – dazu den irdischen Kindern als Mutter, vgl. v. 18: „Fels, der dich gezeugt hat‟, „Gott, der dich geboren hat‟; zum altorientalischen Hintergrund dieser Doppelmetapher vgl. H.-W. Jüngling, „Was anders ist Gott für den Menschen, wenn nicht sein Vater und seine Mutter?‟ Zu einer Doppelmetapher der religiösen Sprache, in: W. Dietrich / M. A. Klopfenstein (Hg.), Ein Gott allein? Jhwh-Verehrung und biblischer Monotheismus im Kontext der israelitischen und altorientalischen Religionsgeschichte, OBO 139, Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1994, 365–386.

37 Vgl. Amos 7,2–3.5-6; himmlische Erkenntnis und Einsicht (תבונה – vgl. Jes 40,14.28; Jer 10,12; 51,15) liegt nach den prophetischen Lehren dem Götzendiener fern (Jes 44,19; Hos 13,2), der Mensch ist, um sie zu erlangen, auf Gottes Geist angewiesen (vgl. Ex 31,3; 35,31; 1 Kön 5,9).

38 Vermutlich ist die Nominalbildung mit nûn mit der Wurzel qm, qwm in Verbindung zu bringen, d.h. der Gegner, von dem eine lebensbedrohliche Tat ausgegangen ist, muss sich dem Stellen, der Stellungnahme und also Rechenschaft fordert. Während der Gerechte im Gerichtsverfahren „besteht‟, wird der Übeltäter nicht bestehen können (Ps 1,5).

39 Dtn 32,39 führt über die fundamentale Einsicht der Tradition (1 Sam 2,6), dass Gott Leben gewährt und nimmt, hinaus, weil Tod und Leben nun in das Licht eines eschatologischen Gerichts gestellt werden.

40 Zum Motiv vgl. J. Lust, For I Lift up my Hand to Heaven and Swear: Deut 32:40, in: F. García Martínez u.a. (Hg.), Studies in Deuteronomy. In Honour of C. J. Labuschagne on the Occasion of his 65th Birthday, VTS 53, Leiden 1994, 155–164.

41 Zum rechtsgeschichtlichen Hintergrund vgl. E. Otto, Theologische Ethik des Alten Testaments, Theologische Wissenschaft 3,2, Stuttgart u.a. 1994, 32–37. 66–67. 73–81. 109–111.

42 J. Jeremias, Jhwh – ein Gott der „Rache‟, in: Karrer-Grube, Sprachen (s.o. Anm. 31) 89–104.

43 E. Otto, Gerechtigkeit und Erbarmen im Recht des Alten Testaments und seiner christlichen Rezeption, in: ders. / S. Uhlig (Hg.), Kontinuum und Proprium. Studien zur Sozial- und Rechtsgeschichte des Alten Orients und des Alten Testaments, OBC 8, Wiesbaden 1996, 342–357.

44 Vgl. hierzu O. H. Steck, Der Rachetag in Jesaja 61,2. Ein Kapitel redaktionsgeschichtlicher Kleinarbeit, VT 36, 1986, 323–338(ND in: ders., Studien zu Tritojesaja, BZAW 203, Berlin / New York 1991, 106–118; zur näheren Einordnung vgl. auch R. Achenbach, König, Priester und Prophet. Zur Transformation der Konzepte der Herrschaftslegitimation in Jesaja 61, in: ders. / M. Arneth / E. Otto (Hg.), Tora in der Hebräischen Bibel. Studien zur Redaktionsgeschichte und synchronen Logik diachroner Transformationen, BZAR 7, Wiesbaden 2007, 196–245.

45 Frank Crüsemann, Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, Gütersloh (3. Aufl.) 2005, 401–402, hat betont, vor dem Hintergrund der nachexilischen Schriftprophetie und „im Bewusstseinder großen Rolle von Eschatologie und Frühapokalyptik in dieser Zeit‟ … der Pentateuch als „ausgesprochen unprophetisch und uneschatologisch, ja als im Ansatz anti-eschatologisch angesehen werden‟ muss. Allerdings verweist er als Ausnahmen auf den 4. Bileamspruch (Num 24:15–24), der in v. 24 eine „verschlüsselte Anspielung auf Alexander d.Gr. und das Ende der persischen Herrschaft‟ enthalten könne (S. 403), und auf das Moselied (ebd.).

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