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Die Ursprünge der präskriptiven Funktion biblischer Rechtssätze. Zu einem Buch von Michael LeFebvre


Seiten 337 - 346

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.13.2007.0337




München

1 Siehe B. Landsberger, Die babylonischen Termini für Gesetz und Recht, in: Symbolae ad iura Orientis Antiqui pertinentes. FS P. Koschaker, SDIO 2, Bd. II, Leiden 1939, 219–234. Bedauerlicherweise hat der Verf. diese wie überwiegend die deutschsprachige Literatur nicht zur Kenntnis genommen, Zugang dazu also nur dort gefunden, wo englische Übersetzungen vorlagen oder deutschsprachige Autoren englisch publiziert haben.

2 Siehe F.-R. Kraus, Ein zentrales Problem des altbabylonischen Rechtes: Was ist der Codex Hammurabi? Genava (N.F.) 8, 1960, 283–296.

3 Siehe F.-R. Kraus, Königliche Verfügungen in altbabylonischer Zeit, SDIO 11, Leiden/New York 1984, 114ff.

4 Siehe nur R. Westbrook, Cuneiform Law Codes and the Origins of Legislation, ZA 79, 1989, 201–222.

5 Siehe A. Fitzpatrick-McKinley, The Transformation of Torah from Scribal Advice to Law, JSOT.S 287, Sheffield 1999. Siehe dazu meine Rezension in ThLZ 126, 2001, 746–748, sowie die von B. S. Jackson in JSS 47, 2002, 327–333.

6 Siehe dazu P. Frei, Die persische Reichsautorisation: Ein Überblick, ZAR 1, 1995, 1–35.

7 Gegen die These der persischen Reichsautorisation jüdischen Rechts siehe die Beiträge in J. Watts (Hg.), Persia and Torah: The Theory of Imperial Authorization of the Pentateuch, SBL SymS 17, Atlanta 2001, sowie G. Ahn, Israel und Persien, RGG4 Bd. IV, Tübingen 2001, 309–311. Anders dagegen wieder K. Schmid, Persische Reichsautorisation und Tora, ThR 71, 2006, 494–506, der Teilaspekte der These seines Zürcher Kollegen in der Diskussion halten will. Tatsächlich aber ist die These der persischen Reichsautorisation wenig geeignet, den Übergang des biblischen Rechts von einer deskriptiven zu einer präskriptiven Funktion zu erklären, da es persische Rechtssammlungen wie die mesopotamischen oder judäischen nicht gab und dafür auch gute Gründe anzugeben sind; Siehe dazu E. Otto, Die Rechtshermeneutik des Pentateuch und die achämenidische Rechtsideologie in ihren altorientalischen Kontexten, in: M. Witte/M.-Th. Fögen (Hg.), Kodifizierung und Legitimierung des Rechts in der Antike und im Alten Orient, BZAR 5, Wiesbaden 2005, 71–116. Abgesehen davon, dass Ex 18,13–27 aber einer der sehr späten nachexilischen Texte im Pentateuch ist8 und also in keiner Weise aussagekräftig für ein vorjosianisches Rechtssystem in Juda und Israel, zeigt das Prozessrecht des Bundesbuches9 und seine Revision durch die dem Ämtergesetz des Deuteronomiums zugrundeliegende Gerichtsordnung ein anderes Bild der Zuordnung von Gerichtsinstitution und Heiligtum. Des kultischen Rechtsentscheids in Gestalt eines Reinigungseides oder eines Ordals bedurfte es in den Fällen, die nicht durch den Zeugen- und Urkundenbeweis aufzuklären waren. Mit dem dtn Programm der Kultzentralisation wurden die Gerichtsfunktionen der Lokalheiligtümer am Zentralgericht, das auch mit priesterlichem Personal bestückt war, zentralisiert.10 Das biblische Prozessrecht hatte damit an Säkularisierungsprozessen, die auch das keilschriftliche Prozessrecht in Assyrien und Babylonien kennzeichneten, Anteil.11 Wenn aber die These des Verf. allenfalls in ihrer ersten Hälfte, dass nämlich das vordtn biblische verschriftete Recht keine präskriptiv-positive Funktion hatte, richtig ist, die zweite Hälfte, dass abstrakt-religiöse Normen von Gerechtigkeit, die kultisch durch eine Orakelpraxis real wurden, keinen Anhalt an biblischen Rechtstexten hat,12 so ist zu fragen, wie die Lücke angemessener zu füllen ist: Ursprung der kasuistischen Rechtssätze sind Rechtserzählungen von Fallentscheidungen an Lokalgerichten,

8 Siehe E. Otto, Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumrahmens, FAT 30, Tübingen 2000, 131; R. Achenbach, Die Vollendung der Tora. Studien zur Redaktionsgeschichte des Numeribuches im Kontext von Hexateuch und Pentateuch, BZAR 3, Wiesbaden 2003, 173f. 247ff.

9 Siehe dazu E. Otto, Wandel der Rechtsbegründungen in der Gesellschaftsgeschichte des antiken Israel. Eine Rechtsgeschichte des „Bundesbuches“ Ex XX 22-XXIII 13, StB 3, Leiden/New York 1988, 47ff.; L. Schwienhorst-Schönberger, Das Bundesbuch (Ex 20,22–23,33). Studien zu seiner Entstehung und Theologie, BZAW 188, Berlin/New York 1990, 378ff.

10 Siehe J. Chr. Gertz, Die Gerichtsorganisation Israels im deuteronomischen Gesetz, FRLANT 165, Göttingen 1994, 33ff.; E. Otto, Von der Gerichtsordnung zum Verfassungsentwurf. Deuteronomische Gestaltung und deuteronomistische Interpretation im „Ämtergesetz“ Dtn 16,18–18,22, in: I. Kottsieper u. a. (Hg.), „Wer ist wie du, Herr, unter den Göttern?“ Studien zur Theologie und Religionsgeschichte Israels. FS O. Kaiser, Göttingen 1994, 142–155; ders., Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien, BZAW 284, Berlin/New York 1999, 238ff.

11 Siehe dazu R. Jas, Neo-Assyrian Judicial Procedures, SAA.S 5, Helsinki 1996; E. Otto, Neue Aspekte zum keilschriftlichen Prozeßrecht in Babylonien und Assyrien, ZAR 4, 1998, 263–283; G. Ries, Zur Strafbarkeit des Meineids im Recht des Alten Orients, in: V. Beuthien u. a. (Hg.), Festschrift für Dieter Medicus, Köln 1999, 457–468; B. Wells, The Law of Testimony in the Pentateuchal Codes, BZAR 4, Wiesbaden 2004.

12 Zu Recht wendet sich der Verf. gegen die These von B. S. Jackson (Studies in the Semiotics of Biblical Law, JSOT.S 314, Sheffield 2000, 45f. 90–92), alle Richter seien „inspiriert“ gewesen, doch ist die vom Verf. eingeführte Unterscheidung, leichtere Fälle seien nach ungeschriebenem Gewohnheitsrecht, schwierigere durch Orakel gelöst worden, wenig praktikabel: was definiert die Grenze zwischen leichteren und schwierigeren Fällen und damit die Zuständigkeiten? Das Kriterium ist vielmehr das Vorhandensein von Zeugen- und Urkundenbeweis oder ihr Fehlen. die als Präzendenzfälle zur Abkürzung des Rechtsdiskurses tradiert, im Laufe ihrer Tradierung zu Regeln abstrahiert13 und schließlich zu Lehrzwecken verschriftet wurden.14

13 Siehe dazu C. Locher, Deuteronomium 22,13–21. Vom Prozeßprotokoll zum kasuistischen Gesetz, in: N. Lohfink, Das Deuteronomium. Entstehung, Gestalt und Botschaft, BEThL 68, Leuven 1985, 298–303.

14 Zum Weg von mündlich tradierter Rechtserzählung bis zur literarischen Endgestalt der Rechtssammlungen siehe E. Otto, Körperverletzungen in den Keilschriftrechten und im Alten Testament. Studien zum Rechtstransfer im Alten Orient, AOAT 226, Kevelaer/Neukirchen-Vluyn 1991, 138–189; ders., Kodifizierung und Kanonisierung von Rechtssätzen in keilschriftlichen und biblischen Rechtssammlungen, in: E. Lévy (Hg.), Le Codification des Lois dans l'Antiquité. Actes du colloque de Strasbourg 27–29 novembre 1997, Université de Strasbourg. Travaux du Centre de Recherche sur le Proche-Orient et la Grèce Antiques 16, Paris 2000, 77–124. Für die These von B. S. Jackson (a.a.O., 92), kasuistische Rechtssätze seien verschriftet worden, um die erbliche Rechtsfunktion des Königs einzuschränken, sehe ich keine ausreichende Begründung. Jüngst hat B. S. Jackson selbst von dieser These Abstand genommen zugunsten einer rechtsgelehrten Funktion der Rechtssammlungen; Siehe B. S. Jackson, Wisdom – Laws. A Study of the Mishpatim of Exodus 21:1–22:16, Oxford 2006, 67ff. 437ff. Zu B. S. Jacksons Interpretation des kasuistischen Rechts siehe E. Otto, Semiotik des biblischen Rechts, ZAR 9, 2003, 220–237; ders., Das Recht der Hebräischen Bibel im Kontext der antiken Rechtsgeschichte. Literaturbericht 1994–2004, ThR 71, 2006, (389–421) 402f.; ders., Neue Literatur zur biblischen Rechtsgeschichte, ZAR 12, 2006, (72–106) 78–83.

15 Der Verf. beruft sich auch auf eine kritische Rezension der Dissertation von B. M. Levinson durch J. Sprinkle in JETS 42, 1999, 720f. Aus einer von J. Sprinkle favorisierten nur synchron operierenden Perspektive aber sind die Fortschreibungsprozesse zwischen Bundesbuch und Deuteronomium nicht angemessen in den Blick zu nehmen, obwohl J. Sprinkle wie der Verf. die Widersprüche in B. M. Levinsons These von einem „recycling“ biblischer Texte richtig erfasst hat. Siehe dazu E. Otto, Biblische Rechtsgeschichte als Fortschreibungsgeschichte, BiOr 56, 1999, 5–14.

16 Siehe dazu E. Otto, Programme der sozialen Gerechtigkeit. Die neuassyrische (an-)durāru-Institution sozialen Ausgleichs und das deuteronomische Erlaßjahr in Dtn 15, ZAR 3, 1997, 26–63; ders., Soziale Restitution und Vertragsrecht. Mīšaru(m), an-durāru(m), kirenzi, parā tarnu-mar, šemiṭṭā und derôr in der Hebräischen Bibel und die Frage des Rechtstransfers im Alten Orient, Rev. Assyr. 92, 1998 (ersch. 2000), 125–160; ders., Gottes Recht als Menschenrecht. Rechts- und literaturhistorische Studien zum Deuteronomium, BZAR 2, Wiesbaden 2002, 195ff.

17 Zur Literaturgeschichte des Deuteronomiums vom 7.-4. Jh. siehe zusammenfassend E. Otto, Gottes Recht (BZAR 2), 5–91, mit weiterer Literatur. Zum Diskussionsstand siehe ders., Perspektiven der neueren Deuteronomiumsforschung, ZAW 119, 2007, 319–340.

18 Siehe dazu E. Otto, Staat – Gemeinde – Sekte. Soziallehren des antiken Judentums, ZAR 12, 2006, 312–343; ders., Auszug und Rückkehr Gottes. Säkularisierung und Theologisierung im Judentum, in: H. Joas (Hg.), Säkularisierung und die Weltreligionen, Fischer Taschenbuch 17647, Frankfurt/Main 2007, 125–171, jeweils mit weiterer Literatur.

19 Siehe dazu E. Otto, Mose, der erste Schriftgelehrte. Deuteronomium 1,5 in der Fabel des Pentateuch, in: D. Böhler/I. Himbaza/P. Hugo (Hg.), L'Ecrit et l'Esprit. Etudes d'histoire du texte et de théologie biblique. FS. A. Schenker, OBO 214, Fribourg/Göttingen 2005, 273–284; siehe auch die Rezension der Monographie von G. J. Venema in E. Otto, Die Tora als Buch. Ein Schlüssel zum Schriftverständnis der Hebräischen Bibel (in diesem Jahrgang der ZAR).

20 Siehe dazu E. Otto, Das postdeuteronomistische Deuteronomium als integrierender Schlußstein der Tora, in: M. Witte/K. Schmid/J. Chr. Gertz/D. Prechel (Hg.), Die deuteronomistischen Geschichtswerke. Redaktions- und religionsgeschichtliche Perspektiven zur „Deuteronomismus“-Diskussion in Tora und Vorderen Propheten, BZAW 365, Berlin/New York 2006, 71–102.

21 Siehe U. Rüterswörden, Die persische Reichsautorisation der Thora: fact or fiction?, ZAR 1, 1995, 47–61.

22 Siehe S. Graetz, Das Edikt des Artaxerxes. Eine Untersuchung zum religionspolitischen und historischen Umfeld von Esra 7,12–26, BZAW 337, Berlin/New York 2004.

23 Siehe dazu E. Otto, Das Gesetz des Mose. Die Literatur- und Rechtsgeschichte der Mosebücher, Darmstadt 2007, 64f.

24 Siehe dazu u. a. J. Schaper, Schriftauslegung und Schriftwerdung im alten Israel. Eine vergleichende Exegese von Ex 20,24–26 und Dtn 12,13–19, ZAR 5, 1999, 111–132.

25 Siehe dazu E. Otto, Vom biblischen Hebraismus der persischen Zeit zum rabbinischen Judaismus der römischen Zeit. Zur Geschichte der spätbiblischen und frühjüdischen Schriftgelehrsamkeit, ZAR 10, 2004, 1–49.

26 Siehe dazu E. Otto, Die Rechtshermeneutik des Pentateuch und der Tempelrolle, in: R. Achenbach/M. Arneth/E. Otto, Tora in der Hebräischen Bibel. Studien zur Redaktionsgeschichte und zur synchronen Logik diachroner Transformationen, BZAR 7, Wiesbaden 2007, 72–121.

27 Siehe dazu E. Otto, Die Bedeutung der altorientalischen Rechtsgeschichte für das Verständnis des Alten Testaments, ZThK 88, 1991, 139–168.

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