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Überlegungen zur Rekonstruktion des Urdeuteronomiums 2: Die Reform der Rechtsordnung in Deuteronomium 16–19

Reinhard Achenbach


Seiten 213 - 244

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.25.2019.0213




(Münster)

1 Zur Analyse dieses Teils vgl. R. Achenbach, Überlegungen zur Rekonstruktion des Urdeuteronomiums, ZAR 24, 2018, 211–254.

2 Hierzu J.C. Gertz, Die Gerichtsorganisation Israels im deuteronomischen Gesetz, FRLANT 165, Göttingen 1994; zur Forschungsgeschichte vgl. E. Otto, Deuteronomium 12–34. Erster Teilband: 12,1– 23,15, HThK.AT, Freiburg – Basel – Wien 2016, 1439–1446, zur Rekonstruktion einer vorexilischen Grundschicht in Dtn 16,18–19*; 17,2–13*; 18,3–5a, vgl. ebd. S. 1446–1459.

3 Grundlegend hierzu L. Perlitt, »Ein einzig Volk von Brüdern«. Zur deuteronomischen Herkunft der biblischen Bezeichnung »Bruder«, in: D. Lührmann/G. Strecker (Hg.) Kirche. FS G. Bornkamm, Tübingen 1980, 27–52 (ders., Deuteronomium-Studien. FAT 8, Tübingen 1994, 50–73); E. Otto, Deuteronomium 12,1–23,15, 1336–1373 (“Deuteronomische Bruderethik und JHWHs Privilegrecht in Dtn 15,1–23), und S.1684–1724 (“Das Familienrecht in einer Fachwerkstruktur des Bruderethos in Dtn 22,1–23,1).

4 Vgl. Hierzu R. Achenbach, Das sogenannte Königsgesetz in Deuteronomium 17,14–20, ZAR 15, 2009, 216–233.

5 Vgl. C. Nihan, “Moses and the Prophets”: Deuteronomy 18 and the Emergence of the Pentateuch as Torah, SEÅ 54, 2010, 21–55; R. Achenbach, A Prophet like Moses (Deuteronomy 18:15) – No Prophet like Moses (Deuteronomy 34:10). Some Observations on the Relation between the Pentateuch and the Later Prophets, in: T.B. Dozeman u.a. (Hg.), The Pentateuch. International Perspectives on Current Research, FAT 78, Tübingen 2011, 435–458.

6 Zur Begründung vgl. R. Achenbach, Levitische Priester und Leviten im Deuteronomium. Überlegungen zur sog. “Levitisierung” des Priestertums, ZAR 5, 1999, 285–309.

7 Die in der Textwiedergabe im Folgenden benutzten Schrifttypen markieren die innere Schichtung: Deuteronomische Schicht; Deuteronomistische Schichten: Moab-Bund-Schicht MB; Horeb-Bund-Schicht; Historisierung des Gesetzes HG; Hexateuch-Komposition; Pentateuch-Komposition; Theokratische Bear beitungen. Die Paragrapheneinteilung knüpft an die Zählung in ZAR 24, 2018, 213f. an.

8 Vgl. Dtn 12,27; 26,4; 27,6!; Ex 20,24; Jos 22,19.28f.

9 Vgl. R. Jas, Neo-Assyrian Judicial Procedures, Helsinki 1996; H. Neumann, Art. Richter A. Mesopotamien, RlA 11, 2008, 346-351; R. Wells, The Law of Testimony in the Pentateuchal Codes, BZAR 4, Wiesbaden 2004. Einen Überblick über die Rechtsgeschichte Israels bietet E. Otto, Recht im antiken Israel, in: Ulrich Manthe (Hg.), Die Rechtskulturen der Antike. Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich, München 2003, 151-238.

10 LXX und 11Q19.51.12–13 geben den Text in der 3. sg. m. wieder.

11 Man denke nur an die berühmte Grabinschrift des Urijahu aus Chirbet el-Qôm: “Gesegnet war 'Urijahu von Jahwe und von seiner Aschera. Und vor seinen Feinden hat er ihn errettet.” (Manfred Weippert, Historisches Textbuch zum Alten Testament, GAT, Göttingen 2010, no. 220, S. 367f.).

12 Lediglich im sekundären Epilog des Bundesbuches erscheint das Wort, vgl. Ex 23,21, ist dort aber bezogen auf die Präsenz des Namens Gottes in der Gegenwart des Mal'akh.

13 Das Verfahren ist in analoger Weise auch in neubabylonischen Prozessurkunden belegt, vgl. Shalom E. Holtz, Common Set of Trial Terms, ZAR 17, 2011, 1–14.

14 Vgl. K. Watanabe, Die adê-Vereidigung anlässlich der Thronfolgeregelung Asarhaddons, BaghM. Beih. 3, Berlin 1987, 150–151; E. Otto, Deuteronomium 12,1–23,15, 1469–1471.

15 Vgl. hierzu Ingo Kottsieper, Art. שׇׁבַעְ šāba שְׁבֻעׇהֱ šebuʿāh, ThWAT VII, Stuttgart 1992, 974–1000.995ff.; E. Otto, Prozessrecht und Beweiseid im Keilschriftrecht und im biblischen Recht. Ein rechtstypologischer Vergleich, in: H. Barta u.a. (Hg.), Prozessrecht und Eid. Recht und Rechtsfindung in antiken Kulturen, Bd. I, Philippika 86/1, Wiesbaden 2015, 79–100.

16 Der Samaritanus und die hebräische Vorlage der LXX haben an dieser Stelle statt des MT “du sollst eine Untersuchung durchführen” die pluralische Form der 3. pl.m.

17 E. Otto, Deuteronomium 12,1–23,15, 1475f., hat deutlich gemacht, dass es im Deuteronomium nicht um eine eigene Tempelgerichtsbarkeit nach ägyptischem Vorbild geht, und auch nicht um eine lediglich die Tempelangelegenheiten betreffende Tempelgerichtsbarkeit nach mesopotamischem Vorbild, “sondern um eine Gerichtsbarkeit, in der das Zentralheiligtum als Ort kultischer Beweisführung mittels des Beweiseides dient.” (S. 1475).

18 E. Otto, a.a.O., 1476, verweist auf analoge Verfahren, die sich aus babylonischen Prozessurkunden erschließen lassen. Nach der Durchführung des Beweisverfahrens aufgrund von Urkunden und der Befragung von Zeugen verfügt der Richter, dass ein assertorischer Eid geleistet werden muss, worauf der Betroffene an den Tempel überstellt wird. Nach dem Vollzug des Eidesrituals formuliert der Richter das Urteil, dessen Rechtskraft auf der Annahme und Gewährleistung des Eides durch die Schwurgottheit beruht. Zum babylonischen Verfahren vgl. E. Dombradi, Die Darstellung des Rechtsaustrags in den altbabylonischen Prozessurkunden I: Die Gestaltung der altbabylonischen Prozessurkunden. Der altbabylonische Zivilprozess. II: Appendix. Die Organe der Rechtsprechung. Anmerkungen – Exkurse – Indices, FAOS 20/1–2, Stuttgart 1996, 77–105.

19 J.W. Wevers, Deuteronomium. Septuaginta III,2, Göttingen 1977, 216.

20 Vgl. hierzu R. Müller, Königtum und Gottesherrschaft. Untersuchungen zur alttestamentlichen Monarchiekritik, FAT II,3, Tübingen 2004, 197–213; C. Nihan, Rewriting Kingship in Samuel: 1 Samuel 8 and 12 and the Law oft he King (Deuteronomy 17), HeBAI 2, 2013, 315–330.

21 Eine andere Konnotation hat die Bezeichnung Nebukadnezzar als “Knecht” durch Jhwh in Jer 27,6; 43,10, der als König von Babel zum Werkzeug dient, um das göttliche Gericht über die Völker zu vollstrecken. Im positiven Sinne ist es das Werk des Jhwh-Knechts, das Recht zu Israel und den Völkern zu bringen (Jes 42,1–7).

22 In einzelnen Handschriften wird darum verdeutlichend ergänzt: “Jhwh hat zu mir gesagt…” (vgl. BHS).

23 Die traditionelle Übersetzung von ‘iššæh mit “Feueropfer” ist missverständlich; das Wort ist etymologisch verwandt mit dem Westsemitischen (ugaritischen) ‘tt - Opfergabe und bezeichnet die für den Jhwh-Tempel bestimmten Abgaben.

24 Gegen die Annahme einer Verbindung von 2 Kön 23,8 mit Dtn 18,6ff. in der älteren Forschung vgl. E. Otto, Deuteronomium 12,1-23,15, 1492-1493.

25 2 Kön 17,16 Und sie verließen alle Gebote Jhwhs, ihres Gottes, und machten sich als Gussbild zwei Stiere und machten eine Aschera und huldigten dem ganzen Himmelsheer und dienten dem Baal. 17 Und sie ließen ihre Söhne und Töchter durchs Feuer gehen, und sie trieben Zeichendeutung und Beschwörungen und sie verkauften sich dazu zu tun, was böse war in den Augen Jhwhs und ihn dadurch zu reizen. 2 Kön 21,5 Und er (Manasse) baute Altäre für das ganze Himmesheer in den beiden Vorhöfen des Jhwh-Tempels, 6 und er ließ seinen Sohn durchs Feuer gehen, und trieb Wahrsagerei und Beschwörungen und trieb Ahnengeistbefragung und esoterische Wissenschaft, kurz: er tat immer mehr was böse war in den Augen Jhwhs und reizte ihn dadurch.

26 E. Otto, Deuteronomium 12,1–23,15, 1494–1497.

27 Die To'ebah ist in den durch das erste Gebot geprägten Paränesen des Dtn.s ein Begriff, der sich zunächst mit der Herstellung und der rituellen Verehrung von Götterbildern verbindet, die auf die Tradition der Völker zurückzuführen sind, welche nach Dtn 7,2 dem Bann geweiht sein sollten (Dtn 7,25–26; vgl. a. 20,18). Verurteilt wird auch eine synkretistische Praxis, nach der kanaanäische Kultpraktiken mit Jhwh verbunden werden (Dtn 12,31; vgl. 2 Kön 16,3; 21,2.11; 23,13); wenn die Verführung eine Stadtgemeinde (Polis*) zu solchen Praktiken festgestellt wird, sollen die die gesamte Polis dafür Verantwortlichen mit dem Tode bestraft werden (Dtn 13,13–19)! Verankert wird das Verbot, die To'ebot der Völker zu lernen, im paränetischen Rahmen des sog. Prophetengesetzes (18,9.12), schließlich in Dtn 25,16* und in dem der Hexateuch-Komposition zugeordneten Kapitel Dtn 27,15, das mit Jos 8,30–35 verbunden ist.

28 War Dtn 12,20ff. (DtrHG) davon ausgegangen, dass infolge der Erweiterung des Landes zur Wahrnehmung der Wallfahrtspflicht zum Zentralheiligtum der Israelit von dieser Pflicht befreit werden kann, so führt Ex 34,24 darüber hinaus: Die Vertreibung der Völker durch Jhwh ist die Voraussetzung dafür, dass die Erweiterung des Gebietes nicht dazu führen kann, dass Fremde Ansprüche auf das Land erheben.

29 Dtn 12,2–7.29–31 und Dtn 7,3–5.25–26, die wir oben Ergänzungen im Kontext der Pentateuchkomposition zugewiesen haben, nehmen das Motiv auf. Andererseits wird Mose im Folgenden als erster in der Reihe der Propheten eingeordnet, ein Mosebild, welches in der älteren Phase der Hexateuchkomposition ausgebildet wird. Anscheinend handelt es sich bei dieser Schicht um eine Weiterführung dieser Konzepte.

30 R. Achenbach, “The Unwritten Text of the Covenant”: Torah in the Mouth of the Prophets, in: G.N. Knoppers/J. Nogalski/R. Bautch, Covenant in the Persian Period, Winona Lake (Eisenbrauns) 2015, 75– 89.

31 Vgl. hierzu R. Achenbach / M. Arneth / E. Otto, Die Tora in der Hebräischen Bibel. Studien zur Rezeptionsgeschichte und zur synchronen Logik diachroner Transformationen, BZAR 7, Wiesbaden 2007.

32 Volker Wagner, Art. Asyl/Asylrecht (AT), WiBilex, Stuttgart 2009, bestreitet den ursprünglich sakralen Zusammenhang der Asylie, gegen C. Traulsen, Das sakrale Asyl in der Alten Welt. Zur Schutzfunktion des Heiligen von König Salomo bis zum codex Theodosianus (JusEcc 72), Tübingen 2004. Wäre dieser nicht impliziert, so ergäbe sich die Notwendigkeit nicht, ihn im Kontext der Kultuszentralisationsgesetze zu bearbeiten. Eine detaillierte Analyse des Textes und seiner traditionsgeschichtlichen Tiefenstruktur sowie eine ausführliche Darstellung der Forschungsdiskussion auch in den Detailproblemen bietet E. Otto, Deuteronomium 12,1–23,15, 1504–1550.

33 Der Text ist demnach gewachsen, eine Justierung im Rahmen der Anpassung an Dtn 19 geht der weiteren Bearbeitung im Anschluss an Num 35 voraus. Vgl. E.A. Knauf, Josua, ZBK.AT 6, Zürich 2008, 169–172.

34 Buchholz, Die Ältesten Israels im Deuteronomium, GTA 36, Göttingen 1988.

35 E. Otto, Deuteronomium 12,1–23,15, 1545.

36 E. Otto, a.a.O., verweist auf W.G. Lambert, Nebukadnezzar King of Justice, Iraq 27, 1965, 1–11, der auf einen Fall verweist, welchen in einer spätbabylonischen Propagandaschrift erwähnt wird: Der König lässt einer der lügenhaften Falschaussage überführten Person den Kopf abschlagen und diesen zur Generalprävention im Lande herumschicken. Eine Steinskulptur des Kopfes wird mit entsprechender Inschrift am Tor des Gerichts angebracht. Zur Entwicklung der Talio vgl. Otto, ebd, 1546–1548.

37 E. Otto, Deuteronomium 12,1–23,15, 1688–1689.

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