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Zippora und Kosbi. Zwei exemplarische Fallbeispiele zur Problematisierung exogamer Verbindungen im Pentateuch


Seiten 225 - 248

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.16.2010.0225




Münster

1 Der vorliegende Text geht auf einen Vortrag zurück, der im Rahmen einer Tagung der Arbeitsgruppen „Pentateuch“ und „Biblical Law“ der Society of Biblical Literature zum Thema „Law and Narrativity“ am 23.–25. November 2009 in New Orleans gehalten wurde.

2 Vgl. Bernard S. Jackson, Narrative Theory and Legal Discourse, in: Christopher Nash (Hg.), Narrative in Culture. The Uses of Storytelling in the Sciences, Philosophy, and Literature, London — New York 1990, 23–50; Peter Brooks, Paul Gerwirtz (Hg.), Law's Stories. Narrative and Rhetoric in Law, New Haven — London 1996; Peter Goodrich, Law and Narrative, in: David Herman, Manfred Jahn, Marie-Laure Ryan (Hg.), The Routledge Encyclopedia of Narrative Theory, London — New York 2005, 271–276. Die Bedeutung biblischer Erzählungen für die Rekonstruktion der Rechtsgeschichte ist schon lange beobachtet worden, man vergleiche hierzu etwa die Arbeiten von David Daube (Law in the Narratives, in: ders., Studies in Biblical Law, Cambridge 1947, 1–73; ders., Rechtsgedanken in den Erzählungen des Pentateuch, in: C. Carmichael (ed.), Biblical Law and Literature. Collected Works of David Daube Volume 3, Berkeley 2003, 91–100).

3 Grundsätzliche Überlegungen zur Generierung von Texten im Alten Israel haben in jüngerer Zeit vorgelegt: Karel van der Toorn, Scribal Culture and the Making of the Hebrew Bible, Cambridge (Mass.) — London 2007; David M. Carr, Writing on the Tablet of the Heart. Origins of Scripture and Literature, Oxford — New York 2005. Zur Rechtsgeschichte vgl. in diesem Zusammenhang Eckart Otto, Die biblische Rechtsgeschichte im Horizont des altorientalischen Rechts, in: ders., Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte. Gesammelte Studien, BZAR 8, Wiesbaden 2008, 56–82; ders., Kodifizierung und Kanonisierung von Rechtssätzen in keilschriftlichen und biblischen Rechtssammlungen, ebd., 83–119; Gary N. Knoppers, Paul B. Harvey, The Pentateuch in Ancient Mediterranean Context: The Publication of Local Lawcodes, in: ders., Bernard M. Levinson, The Pentateuch as Torah. New Models for Understanding Its Promulgation and Acceptance, Winona Lake (Ind.) 2007, 105–141.

4 Hans Neumann, Recht im antiken Mesopotamien, in: Ulrich Manthe (Hg.), Rechtskulturen der Antike. Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich, München 2003, 55–122; zur juristischen Ausbildung ebd., 63–65, und ders., Prozeßführung im Edubba'a. Zu einigen Aspekten der Aneignung juristischer Kenntnisse im Rahmen des Curriculums babylonischer Schreiberausbildung, ZAR 10, 2004, 71–92.

5 Neumann, Antikes Mesopotamien, 63–64.

6 K. van der Toorn, Scribal Culture (s.o. Anm. 3), 2007, 51–73.

7 Es ist hier nicht der Ort, die Bedeutung der Erzählung für die Konstituierung kultureller Kommunikationsprozesse oder für die Generierung von Deutungskategorien in der Historik zu begründen; zur Verwendung narratologischer Theorien im Kontext kulturhistorischer Fragestellungen sei verwiesen auf David Herman, Narratologies. New Perspectives on Narrative Analysis, Columbus (Ohio) 1999; Karen Halttunen, Cultural History and the Challenge of Narrativity, in: Victoria E. Bonnell, Lynn Hunt (Hg.), Beyond the Cultural Turn. New Directions in the Study of Society and Culture, Berkeley u.a. 1999, 165–181; Wilhelm Voßkamp, Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft, in: Ansgar Nünning, Vera Nünning (Hg.), Konzepte der Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen — Ansätze — Perspektiven, Stuttgart — Weimar 2003, 73–85. Narrationen dienen der intersubjektiven Verständigung über die Problematiken, die bei der Generierung von Normen erkannt und diskutiert werden müssen.

8 Ein besonders anschauliches Beispiel hierfür ist die Prozessurkunde aus Nippur aus der Regierungszeit des Königs Išme-Dagān (1953–1935 v.Chr.) von Isin (veröffentlicht von J. van Dijk, Neusumerische Gerichtsurkunden in Bagdad, ZA 55, 1963, 70–77Nr. 1), in welcher der (konstruierte) Fall einer Ehefrau geschildert wird, die in das Vorratshaus des Ehemannes eingebrochen war, sich danach an dessen Ölfass zu schaffen gemacht hatte und endlich von ihrem Mann in flagranti auf einem fremden Manne liegend ertappt, gefesselt und samt Mann und Bett vor die Versammlung geschleppt worden ist; hierzu Neumann, Prozessführung, 85–89; zur Wirkungsgeschichte bis in die griechische antike Literatur vgl. ebd., 88; Sophie Lafont, Femmes, Droit et Justice dans l'Antiquité orientale. Contribution à l'étude du droit pénale au Proche-Orient ancien, OBO 165, Freiburg (Schweiz) — Göttingen 1999, 37–41.

9 Ein Beispiel für den taktischen Einsatz eines Fallbeispiels in einem Verfahren findet sich etwa in der Lehrerzählung 2 Sam 14, in dem der General Joab eine weise Frau veranlasst, als Witwe verkleidet vor den König zu treten, um Gande für ihren zweiten Sohn zu erbitten, welcher seinen Bruder im Streit erschlagen hat. Die Genehmigung des (fiktiven!) Gnadengesuchs ergibt dann den Präzedenzfall für die Begnadigung des aufständischen Königssohnes Absalom. Berühmter ist noch das gleichnishafte Fallbeispiel aus der Strafrede des Propheten Natan gegen Davids Intrige um Batseba, 2 Sam 12,1–4.

10 Michael Fishbane, Biblical Interpretation in Ancient Israel, Oxford 1985, 98–105.

11 Israel Knohl, The Sanctuary of Silence. The Priestly Torah and the Holiness School, Minneapolis (MN) 1995, 121, weist sie der spätesten Schicht einer „Holiness School“-Bearbeitung zu; zur detaillierten Einzelkommentierung von Lev 24 vgl. Jacob Milgrom, Leviticus 23–27. A New Translation with Introduction and Commentary, AB 3b, New York 2001, 2101–2119, und Christophe Nihan, From Priestly Torah to Pentateuch. A Study in the Composition of the Book of Leviticus, FAT 2. Reihe 25, Tübingen 2007, 512–520; zu Num 15 vgl. Horst Seebass, Numeri. 2. Teilband Numeri 10,11–22,1, BK IV/2, Neukirchen-Vluyn 2003,154–164, zur literarhistorischen Verortung s.a. R. Achenbach, Das Heiligkeitsgesetz und die sakralen Ordnungen des Numeribuches im Horizont der Pentateuchredaktion, in: T. Römer (Hg.), The Books of Leviticus and Numbers, BEThL CCXV, Leuven — Paris — Dudley 2008, 145–176.

12 Zu Num 12 s. im Folgenden (Anm. 27).

13 Selig Bamberger, Raschis Pentateuchkommentar, Basel 42002, 486.

14 Cornelis Houtman, Exodus, Volume 1, HCOT, Kampen 1993, 306 A. 31, verweist auf eine entsprechende Annahme schon bei Ishodad, vgl. M. Gibson/ D. Smith/ H. J. Rendel (Hg.), The Commentaries of Isho'dad of Merv, Bishop of Hadatha (c. 850 A.D.) in Syriac and English, Cambridge 1911, z.St.

15 Überlegungen dahingehend, ob er auf diese Weise schon im Status eines Fremden handelt, der eine Niederlassung anstrebt, führen wohl zu weit, vgl. Houtman, Exodus I, 305f.; der Artikelgebrauch im Bezug auf „die“ Zisterne markiert weniger einen kataphorischen Gebrauch im Blick auf v.16 als einen anaphorischen im Sinne eines Bezuges auf ein allgemein verfügbares Vorwissen, das die in einer Landschaft vorhandenen Zisternen bzw. Wasserstellen als den für Fremde wie Einheimische angemessenen Ort der Begegnung im Blick hat (vgl. Gen 24,11ff.; 29,2ff.).

16 Das Motiv ist später gerne ausgemalt worden, vgl. Josephus, Ant.Jud. II,260; Targ. PsJon z.St.; Midr. Tanh. Exod. I,11; Philo, Vita Moses I, 54ff.

17 Jonathan P. Burnside, Exodus and Asylum: Uncovering the Relationship between Biblical Law and Narrative, JSOT 34,3, 2010, 243–266, interpretiert den Umstand, dass Mose Aufnahme bei einem Priester findet, dahingehend, dass in Ex 2,11–22 strukturelle Ähnlichkeiten zu den Bestimmungen des Bundesbuches über das Asyl (Ex 21,12–14; vgl. Dtn 19,1–13; Num 35,9–34) vorlägen. Der Unterschied besteht indes darin, dass nicht erzählt wird, dass die Verfolgung des Rechtsfalles bis nach Midian vordringt, während die Asylordnung ja gerade den Schutzraum für ein ordentliches Rechtsverfahren gewährleisten soll. Darum ist die Ausdehnung dieser Interpretation auf die Erzählung vom Exodus Israels („Israel is not only a nation of freed slaves but also a nation of successful asylum-seekers“ (S. 265)) überzogen.

18 Vgl. Ex 21,22. 21,3 kennt den Umstand, dass der Ehestand eines in Schuldsklaverei geratenen verheirateten Bürgers durch den Sklavenstatus nicht angetastet wird.

19 Man könnte zumindest erwägen, ob der MT den eingeschränkten Status der rechtlichen Verfügbarkeit noch mit reflektiert, insofern Mose als Fremder ja keinen eigenen Hausstand gründen kann und der MT zudem daran denkt, dass Zippora ja anscheinend dem Mose auf dem Weg nach Ägypten zunächst nur ein Stück weit gefolgt ist (Ex 4), und erst nach der Befreiung der Hebräer aus Ägypten dem Ehemann vom Schwiegervater endgültig zugeführt wird (Ex 18). Der Status des Fremdenrechts hat sich aber in der Zeit der Entstehung des Sam und der LXX insofern verschoben, als sich der Status der Fremdlingschaft für Israel unter der steten Perser- und Fremdherrschaft perpetuiert hat (vgl. auch Lev 25,23) und seit dem 4.Jh. möglicherweise der Grundsatz gleichen Rechts für „Fremde und Einheimische“ unter dem Vorzeichen der Tora gilt, d.h. sofern gerîm sich der Tora unterordnen (vgl. Lev 19,33–34; Num 15,14–16), Sam und LXX sich die Akzeptanz eines eingeschränkten eherechtlichen Status für Mose also nicht vorstellen können und wollen.

20 Diachron gesehen liegen hier divergente Überlieferungen zugrunde, vgl. August Dillmann, Die Bücher Exodus und Leviticus, KeH 12, Leipzig 31897, 27; Werner H. Schmidt, Exodus, BK II, Neukirchen-Vluyn 1974ff, 85–86; Erhard Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch, BZAW 189, Berlin — New York 1990, 142–143. Oft vermutet man, dass der Name Reguel (vielleicht als Name des Stammvaters der Sippe) aus Num 10,29 in Ex 2,18 sekundär eingetragen worden ist, vgl. H. Seebass, Numeri, BK II/2 (s.o. Anm. 11), 15–16. Synchron lässt sich der Text entweder so verstehen, dass man wie in den Midraschim einfach annimmt, der Schwiegervater des Mose habe eben mehrere Namen gehabt (H.S. Horovitz/ I.A. Rabin (Hg.), Mechilta d'Rabbi Ismael, Leipzig 1930 (?) ND Jerusalem 1970, 189; H.S. Horovitz (Hg.), Siphre d'be Rab. Fac. I: Siphre ad Numeros adjecto Siphre zutta, Leipzig 1917, 72f)., oder durch die Annahme dass mit dem Namenswechsel auch ein Funktionswechsel assoziiert wurde.)

21 Die Notiz, Mose habe seine Frau und seine Kinder mit nach Ägypten genommen (Ex 4,20) an die sich die Episode von der Beschneidung des Sohnes Moses durch Zippora anschließt (v.24–26), steht bekanntlich im Widerspruch zu Ex 18,1ff., was auf unterschiedliche Schichten der literarischen Überlieferung schließen lässt. Die parenthetische Notiz אחר שלוחיה in 18,2b wird man nicht wie Ex. Rab 1.13 auf eine zwischenzeitige Scheidung der „Mischehe“ hin interpretieren dürfen, sondern schlicht als Versuch, die divergenten Erzählstränge miteinander auszugleichen, ähnlich wie in Ex18,27 von der Verabschiedung des Jitro die Rede ist, um ihn aus der anschließenden Sinai-Erzählung herauszuhalten (vgl. aber Num 10,29). So wird man die reizvolle Neuinterpretation von Ursula Rapp, Zippora. Das Verschwinden einer Ehefrau, in: Irmtraud Fischer, Mercedes Navarro Puerto, Andrea Taschl-Erber (Hg.), Tora. BuF HBAT 1,1, Stuttgart 2010, 292–304, 301: „nach ihrer Sendung“ = nach der Überreichung ihrer Abschiedsgaben (vgl. 1 Kön 9,16; Mi 1,14) wohl nur mit Vorsicht erwägen können.

22 Rapp, Zippora, 301: „Jitro […] wird fünf Mal als Moses Schwiegervater bezeichnet (V1.2.5.6.7), aber nirgendwo als Zipporas Vater. Was die verwandtschaftlichen Zugehörigkeiten betrifft, so sind also Jitro und Zippora auf Mose bezogen, nicht aufeinander.“

23 Houtman, Exodus I, 307: „The information in Exodus is insufficient to get an idea as to what the priesthood of Jethro/Reguel was like.“ Zu den diversen Interpretationen der Stelle vgl. ebd.

24 Zur Deutung der Stelle und zur Rezeptionsgeschichte vgl. Jürgen Ebach, Genesis 37–50, HThKAT, Freiburg 2007, 252–255.259–263.

25 David J. Bederman, International Law in Antiquity, Cambridge 2001, 120–135; zur Problematik des Verhältnisses zwischen Juden und Fremden mit Hinsicht auf die völkerrechtlichen Aspekte besteht m.E. noch immer eine gewisse Forschungslücke, vgl. schon Prosper Weil, Le Judaïsme et le Dévelopment du Droit Internationale, 151 RCADI 253, 1976, III. In den Targumen wird die politische Position des Schwiegervaters des Mose hervorgehoben (TO: רבא; TNf: רבה; TPsJ: אוניס; Houtman, Exodus I, 307, zu Ex 2,16), wohl aus Scheu vor den Implikationen einer Priestertitulatur.

26 Volker Haarmann, JHWH-Verehrer der Völker. Die Hinwendung von Nichtisraeliten zum Gott Israels in alttestamentlichen Überlieferungen, AThANT 91, Zürich 2008, 96; vgl. B.J. Bamberger, Proselytism in the talmudic period, New York 1968, 182; S. Nescher, שלוש דמויות של גרי צדק במקרא Shanah be-shanah 1981/82, 281–287; Mek Amalek (Jitro), Parascha 1, (Horovitz 188f.); Sif Num § 78. I.

27 Die Erzählung der Begegnung zwischen Moses und Jitro in Ex 18 ist am Gottesberg (הר אלהים) angesiedelt (Ex 18,5; 19,3a), der in der dtr Tradition als „Horeb“ bezeichnet wird (Dtn 5,3; 1,6.19 u.ö.) und erst durch sekundäre Verknüpfung mit der priesterschriftlichen Erzählung (Ex 19,2) durch den „Berg Sinai“ ersetzt wird (vgl. Ex 19,17/18a), vgl. Reinhard Achenbach, The Story of the Revelation at the Mountain of God and the Redactional Editions of the Hexateuch and the Pentateuch, in: Eckart Otto/Jurie Le Roux (Hg.), A Critical Study of the Pentateuch. An Encounter Between Europe and Africa, ATM 20, Münster 2005, 126–151. In dieser Schicht der Überlieferung wird dem midianitischen Schwiegervater des Mose ein bedeutsamer Einfluss eingeräumt (vgl. Ex 18,13–27, dagegen Dtn 1,9–18!). Die Integration dieses Stoffes in einer mit P und Dtn verbundenen Gesamtdarstellung ist ein Beleg dafür, dass die Redaktoren des 5.Jh.s an den Ursprungserzählungen, die ein gutes Verhältnis zwischen Midianitern und Israeliten bezeugten, interessiert waren. Die Erkenntnisformel Ex 18,11 hat nahezu einen liturgischen Charakter, vgl. Ps 20,7; 1Kön 17,24; Jos 2,9. Zur Stellung und Funktion des Kapitels vgl. Houtman, Exodus II, 1996, 397–410; Thomas B. Dozeman, The Midianites in the Formation of Numbers, in: Römer, Books 261–284.267f.; Christian Frevel, Ex 18 und seine kompositionsgeschichtliche Stellung im Pentateuch, BZ 47, 2003, 3–22.

28 Die älteste Schicht der Erzählung (Num 12,1*.2b.9a.10aß.13–15) lässt in der Kritik der Miriam an der Ehe des Mose keinerlei Motiv erkennen und sie darum als grundlos erscheinen. Die zusätzliche Bestrafung der Miriam durch Aussatz markiert zudem die eindeutige Parteinahme Gottes zugunsten des Mose. Der Hexateuch-Redaktor, der die leitende Funktion der levitischen Priester auch hinsichtlich der Diagnose von Aussatz im Dtn verankert hat, fügt zur Begründung den Rückverweis auf diese Schicht der Episode ein ohne dabei noch die Gestalt Aarons zu berücksichtigen (Dtn 24,8–9). In der Überarbeitung der Erzählung durch einen Pentateuchredaktor (Num 12,2a.3–8.9b.10aα.b.11–12) wird hingegen das Thema uminterpretiert: Miriams Kritik habe sich gegen die Führungsposition des Mose gerichtet, die Ehe mit der Kuschitin erscheint nur als ein Vorwand. Der Text illustriert in seiner Endgestalt den Machtkampf zwischen den Verfechtern einer an der mosaischen Tora orientierten Religionskultur gegenüber den Repräsentanten einer (schriftgelehrten) Prophetentora für die Mirjam steht, welche als hybride bestraft wird, und der traditionellen Form der Priestertora, für die Aaron steht, dessen Einwand nicht bestraft wird, vgl. Reinhard Achenbach, Die Vollendung der Tora. Studien zur Redaktionsgeschichte des Numeribuches im Kontext von Hexateuch und Pentateuch, BZAR 3, Wiesbaden 2003, 267–301; Rainer Kessler, Mirjam und die Prophetie der Perserzeit, in: Ulrike Bail, Renate Jost (Hg.), Gott an den Rändern: Sozialgeschichtliche Perspektiven auf die Bibel, FS W. Schottroff, Gütersloh 1996, 64–72. Josephus, Ant. Jud. II,238–253, tradiert eine Version welche die „Lösung“ aller offenen Fragen enthält: die Kuschitin war eine Prinzessin aus Meroe, die eheliche Verbindung des Mose mit ihr war durch erst später bewusst gemachte deuteronomische Kriegsgesetz gedeckt, welches die Ehelichung kriegsgefangener Frauen erlaubte (Dtn 21,10–14). Die Ursprünge solche Seitenüberlieferungen kann nur vermuten, vielleicht in der ägyptischen Diaspora des 5.Jh. v.Chr. (Achenbach, Vollendung, 275–281; Thomas Römer, Mose in Äthiopien: zur Herkunft der Num 12,1 zugrunde liegenden Tradition, in: Martin Beck/ Ulrike Schorn (Hg.), Auf dem Weg zur Endgestalt von Genesis bis II Regum: FS Hans-Christoph Schmitt zum 65. Geburtstag, BZAW 370, Berlin 2006, 203–215). Die Möglichkeit, sogar Ägypter in den Qahal aufzunehmen (Dtn 23,8–9) dürfte realen Bedürfnissen entsprochen haben, wie auch die Hinweise auf Mischehen von Juden und Ägyptern aus Elephantine erkennen lassen, vgl. Bezalel Porten, Archives from Elephantine. The Life of an Ancient Jewish Military Colony, Berkeley — Los Angeles 1968, 245–252. Num 12,1b erklärt das Zustandekommen der Erzählung von Mirjams Kritik durch den nachträglichen Hinweis auf eine besondere Eheschließung. Darum sind m.E. Überlegungen (gegen die antike Auffassung der LXX u.a.), ob man unter Verweis auf Hab 3,7 in Num 12 an eine gar mit Zippora identische Kuschanitin (= Kuschitin?) denken muss, müßig; anders Ursula Rapp, Mirjam. Eine feministisch-rhetorische Lektüre der Mirjamtexte in der hebräischen Bibel, BZAW 317, Berlin — New York 2002, 64–68; Meik Gerhards, Über die Herkunft der Frau des Mose, VT LV, 2005, 162–175. Das Plädoyer für die Integration der Kuschitin in der Grundschicht der Erzählung, dem übrigens in der Hebräischen Bibel aus prophetischer Perspektive in Amos 9,7a mit den Worten הלוא כבני כשים אתם לי בני ישראל נאם יהוה Unterstützung zuteil geworden ist, ist auch durch die redaktionelle Überarbeitung letztlich nicht hinfällig geworden, weil die Ehe zwischen Mose und der Kuschitin eben selbst nach den Maßstäben eines Esra nicht als anfechtbar gelten konnte. In gänzlich andere Richtung führen die Überlegungen von Irmtraud Fischer, Die Autorität Mirjams: Eine feministische Relektüre von Num 12 — angeregt durch das jüdische Lehrhaus, in: Maria Halmer u.a. (Hg.), Anspruch und Widerspruch, FS Evi Krobath, Klagenfurt 2000, 23–38; dies., Gotteskünderinnen: Zu einer geschlechterfairen Deutung des Phänomens der Prophetie und der Prophetinnen in der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, 74, die vermutet, die Kritik der Mirjam richte sich gegen die Auflösung der Mischehe durch Mose (Ex 18,2).

29 Zur Sonderstellung der Araber gegenüber dem Persischen Reich vgl. Hdt. Hist. III,4–9.91.97; Peter Högemann, Das alte Vorderasien und die Achämeniden. Ein Beitrag zur Herodot-Analyse, BTAVO.B 98, Wiesbaden 1992, 147–149; Ernst A. Knauf, Ismael. Untersuchungen zur Geschichte Palästinas und Nordarabiens im 1. Jahrtausend v. Chr., ADPV 7 21989, 65–88.103–108; ders., Supplementa Ismaelitica: 13. Edom und Arabien, BN 45, 1988, 62–79.

30 ‘Efah und die Midianiter vom Ostufer des Golfs von Aqaba und im südlichen Transjordanien und Saba im SW der arabischen Halbinsel handelten mit Weihrauch, Edelsteinen und Gold (vgl. Jer 6,20; Ez 27,22; 38,13; Ps 72,15), die Kedar und Nebaiot aus der edomitischen Gegend mit Vieh (vgl. Ez 27,21). Der Kedariter Geschem (Gaschmu) hatte in der Mitte des 4.Jh. bekanntlich einen gewissen Einfluss auf die Politik in Jerusalem (vgl. Neh 2,19; 6,1f.16); Joseph Blenkinsopp, Isaiah 56–66, AB, New York u.a. 2003, 213.

31 Vgl. hierzu die Überlegungen von Knauf, Midian, 149–160 unter der Überschrift „Die ‚guten‘ Midianiter“.

32 Zum redaktionellen Charakter von Gen 17,19–21* vgl. Peter Weimar, Gen 17 und die priesterschriftliche Abrahamgeschichte, ZAW 100, 1988, 22–60, jetzt in: ders., Studien zur Priesterschrift, FAT 56, Tübingen 2008, 185–226.197f., der den Text noch einmal als in sich geschichtet begreift. Während in der priesterschriftlichen Grunderzählung der nachgeordnete Status des von der ägyptischen Sklavin geborenen Ismael (Gen 16,3.15f.) mit der Geburt des leiblichen Nachfahren (Gen 21,1–5) unstrittig ist, was in der Bearbeitung (Ps) durch das Beschneidungszeichen auch als besiegelt gilt (Gen 17,9–14*; 21,4), entsteht mit der Einfügung von P in den Hexateuch und durch die Kombination mit dem erweiterten Ismael-Stoff (Gen 16,1–2*.4b–14*) die Erklärung des Status der Ismaeliten gegenüber dem Abrahams-Bund notwendig. Insofern die Ismaeliten ihr Leben nicht im Angesicht Jahwes führen (v.18b), leben sie separiert von den Israeliten und sind nicht Bundeserben; wohl aber gilt ihnen der göttliche Segen, eine Perspektive, die auch durch die Kombination der Priesterschrift mit dem nicht-priesterlichen Text Gen 12,1–3 auf den Text gefallen sein dürfte. Die bundestheologische Verhältnisbestimmung in Gen 17,19–21 könnte demnach auf den Hexateuch-Redaktor oder eine Fortschreibung im Lichte dieser Redaktion zurückzuführen sein. Zur Diskussion vgl. Konrad Schmid, Gibt es eine „abrahamitische Ökumene“ im Alten Testament? Überlegungen zur religionspolitischen Theologie der Priesterschrift in Genesis 17, in: Anselm C. Hagedorn, Henrik Pfeiffer (Hg.), Die Erzväter in der biblischen Tradition. FS Matthias Köckert, BZAW 400, Berlin — New York 2009, 67–92 (Lit.!); Jakob Wöhrle, The Integrative Function of the Law of Circumcision, in: Reinhard Achenbach, Rainer Albertz, Jakob Wöhrle (Hg.), The Foreigner and the Law. Perspectives from the Hebrew Bible and the Ancient Near East, BZAR 15, Wiesbaden 2011, 71–88.

33 Gen 25,1–4* (vgl. 1Chr 1,32f.) lässt sich keiner Quelle zuordnen (H. Seebass, Genesis II. Vätergeschichte II (23,1–36,43), Neukirchen-Vluyn 1999, 258), sondern soll das durch die Kombination von nicht-P und P-Texten entworfene Weltbild ergänzen, das sich von der Verheißung an Abraham (Gen 17,6) und Sara (Gen 17,16), aus ihnen sollten Völker und Könige hervorgehen, ausgehend in Verbindung mit der Völkertafel (Gen 10), mit Blick auf die Söhne Nahors (Gen 22,20–24) und die arabischen Völkerschaften der Ismaeliten (Gen 25,12–18) ergibt (F.V. Winnett, Arabian Genealogies in the Book of Genesis, in: T. Frank u.a. (Hg.), Translating & Understanding the Old Testament, FS H.G. May, Nashville — New York 1970, 171–196.188ff.; E. Blum, Die Komposition der Vätergeschichte, WMANT 57, Neukirchen-Vluyn 1984, 446; C. Levin, Der Jahwist, FRLANT 157, Göttingen 1993, 193; Thomas Hieke, Die Genealogien der Genesis, HBS 39, Freiburg u.a. 2003, 131–144.

34 C. Levin, Jahwist (s.o. Anm. 33), 193; E. Cortese, Patriarchal Genealogies. Literary, Historical and Theologico-Political Criticism, in: Alviero Niccacci (Hg.), Divine Promises to the Fathers in the Three Monotheistic Religions, Jerusalem 1995, 11–27.14; Hieke, Genealogien, 134. Der Text ist vermutlich nicht älter als Jes 60,6f.

35 Gen 25,5–6 schließt jegliche Erbansprüche in erster Linie seitens der Nachfahren der Nebenfrau aus und zieht dabei eine zu den Verheißungen an Isaak und der Zurückweisung Ismaels Gen 17,19–21 bzw. Gen 25,12–18 analoge Konsequenz für die anderen abrahamitischen Völkerschaften. Gen 25,1–4.5–6 hängen also konzeptionell wie hinsichtlich ihrer kontextuellen Bezüge so eng zusammen, dass sich eine literarische Separierung nicht nahelegt (so mit Blum, Vätergeschichte, 446; gegen H. Seebass, Genesis II (s.o. Anm. 33), 258; C. Levin, Jahwist (s.o. Anm. 33), 193).

36 Würde man sich nach dem Qahal-Gesetz Dtn 23,2–9 orientieren, dessen Einfügung in das Deuteronomium möglicherweise doch im Gefolge der Hexateuchredaktion Eingang in den Texte gefunden hat, so wäre gegen eine Ehe mit Zippora insofern kein Einwand zu erheben, als die Nachfahren Abrahams als beschnitten gelten, den Brüdern aus dem Stamme der Edomiter Zugang zum Qahal gewährt werden soll, den Ägyptern gar im dritten Glied. Warum dann also nicht den im fünften Glied verwandten Arabern, sofern sie in die Gemeinschaft der Mosaischen einheiraten (so Zippora) oder sofern sie sich wie Jetro gar zu dem Gott des Mose bekennen?

37 Ein — nicht auf den ersten Blick offensichtlicher — Nebeneffekt des Abraham-Ketura-Stammbaums ist, dass durch ihn „erklärbar“ wird, was vor seiner Einfügung in den Pentateuch wohl nicht erklärbar war: woher Zippora die Kenntnis des Beschneidungsrituals hatte: aus der abrahamitischen Tradition! Das Rätsel, warum Mose diese Kenntnis anscheinend nicht hatte, wird durch den Verweis auf die pharaonische Erziehung zu beantworten gewesen sein und durch den Umstand, dass sowohl P als auch der Hexateuch-Redaktor, der P mit Ex 3* kombiniert, einen Bruch der religiösen Tradition zwischen der Väterzeit und Mose annimmt. Zippora tritt hier also (aus der Perspektive des Redaktors gesprochen) in der liminalen Situation des Traditionsabbruchs für die Wahrung des Bundes ein wie später die toratreuen Mütter in der Krise unter Antiochus IV. (vgl. 1Makk 1,60; 2Makk 6,10; 4Makk 4,25), hierzu: Rapp, Zippora, 298–299; Susan Ackerman, Why is Miriam also among the Prophets? (And is Zipporah among the Priests?), JBL 121, 2002, 47–80.75, weist in diesem Zusammenhang auf den liminalen Charakter der Exodus-Situation und der in ihr virulenten sozialen Krisenlagen hin. Der Pentateuchredaktor hat möglicherweise einen solchen liminalen Charakter der Exoduserzählung gesehen und die Thematik des Bundesschlusses am Sinai (Ex 19–34) bewusst durch das Itinerar von Ex 19,1 von der Erzählung eines gemeinsamen Opfermahls am Gottesberg Ex 18 abgegrenzt.

38 Ruth und Erhard Blum, Zippora und ihr התן דמים, in: E. Blum (Hg.), Die hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte (FS R. Rendtorff), Neukirchen-Vluyn 1990, 41–54(ND in: ders., Textgestalt und Komposition. Exegetische Beiträge zu Tora und Vordere Propheten, hg. v. Wolfgang Oswald, FAT 69, Tübingen 2010, 123–136.

39 A.a.O. S. 49 (ND, S. 130.).

40 A.a.O. S. 46 (ND S. 127).

41 Zum Vergleich der Texte s.a. C. Nihan, The Priestly Covenant, Its Reinterpretations, and the Composition of „P“, in: Sarah Shectman, Joel S. Baden (Hg.), The Strata of the Priestly Writings. Contemporary Debate and Future Directions, AThANT 95, Zürich 2009, 88–134.118ff.

42 Reinhard Achenbach, Israel zwischen Verheißung und Gebot. Literarkritische Untersuchungen zu Deuteronomium 5–11, EHS XXIII/422, Frankfurt a.M. — New York u.a. 1991, 255–283.275–279; Michael Konkel, Sünde und Vergebung. Eine Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte der hinteren Sinaiperikope (Exodus 32–34) vor dem Hintergrund aktueller Pentateuchmodelle, FAT 58, Tübingen 2008, 192–198, hält Ex 34,15–16 für Teil einer nach-dtr Komposition, die ihrerseits aber schon an eine „dtn Komposition“ anknüpfen soll, deren wesentlicher Bestandteil das Verbot eines Bündnisses einem Landesbewohner des Verheißungslandes gewesen sei (Ex 34,12*.14) (198–200.265–270), was dann wiederum begründen soll, dass Dtn 7,1–5 aus Ex 34,12 entwickelt worden sei. Während das Verbot eines Bündnisses mit den Bewohnern des Landes von Dtn 7,2 in einem Verweiszusammenhang zu Jos 9 steht (vgl. Achenbach, Verheißung, 249–255), ist die individualisierte Form von Ex 34,12 (also: das Verbot mit einem Bewohner des Landes eine Bundesverpflichtung einzugehen) auf die individualisierte Anrede an Mose zugespitzt, in v.15 dann allerdings wiederum auf den Einzelfall der Mischehe. Weder Ex 34,12 noch Ex 34,14f. ist also ohne eine Korrespondenz zu Dtn 7 entstanden.

43 Eckart Otto, Deuteronomiumstudien II — Deuteronomistische und postdeuteronomistische Perspektiven in der Literaturgeschichte von Deuteronomium 5–11, ZAR 15, 2009, 65–215.190–195 rechnet mit einer dtr Abfassung von Dtn 7,1–3a und einer post-deuteronomistischen Fortschreibung in v.3b–5 (und darüber hinaus); für das Connubiumsverbot rechnet auch Thomas Römer, Deuteronomistic History, London — New York 2005, 170, mit nach-dtr Abfassung.

44 Das Motiv wird im allgemeinen von hoseanischen Texten (Hos 1–4) und jeremianischen (vgl. Jer 3) abgeleitet, die Wendung זנה אחרי + fremde Götter, Baale etc. ist allerdings außer in Hos 1,2 belegt in Ex 34,15.16; Lev 17,7; 20,5.6; Num 15,39; Dtn 31,16; Judg 2,17; 8,27.33; Ez 6,9; 23,30; 1Chr 5,25.

45 Hos 1,2; 2,7; 3,3; 4,10.12.13.14.15.18; 5,3; 9,1; Jer 2,20; 3,1.3.6.8; 5,7; s. also Ez 6,9; 16,15.16.17.26.28.30.31.33.34.35.41; 20,30; 23,3.5.19.30.43.44.

46 Knauf, Midian, 161, spricht von einer „Exegese zu Hos 9,10“; umgekehrt zeigt Konkel, Sünde und Vergebung, 198, dass wegen des redaktionellen Charakters von Num 25,1b.2.4 (so Ludwig Schmidt, Das vierte Buch Mose. Numeri 10,11–36,13, ATD 7/2, Göttingen 2004, 144–152) die Baal-Peor-Tradition von Hos 9,10 „inhaltlich nicht mehr unbesehen von Num 25,1–5 her gefüllt werden“ kann. Neu ist in Num 25, dass die Israeliten sich nicht aus eigenem Antrieb sondern verführt durch die moabitischen Frauen zu dem Baalskult gewandt haben sollen.

47 Das Verbum צמד Ps 106,28; pu 2Sam 20,8; hif Ps 50,19, verstärkt zusätzlich das Motiv der widervernünftigen Unterwerfung unter das Joch des Götzendienstes.

48 Historisch ist der Ausdruck nicht vor dem 5.Jh. v.Chr. belegt (vgl. Neh 10,14; Esr 7,28).

49 Darum ist der Widerspruch in der Diktion zwischen v.4 und v.5 nicht literarkritisch i.S. einer Urkundenhypothese auszuwerten, wie Schmidt, Numeri, 144–152, vorschlägt, der eine Grundschicht v. 1a.3.5 annimmt.

50 Vgl. Achenbach, Vollendung, 425–434. Die Konsequenz für die Analyse von Dtn 7 aus dieser redaktionskritischen Rekonstruktion des Befundes hat jetzt Otto, Deuteronomiumstudien, 96–97.190–201, gezogen, indem er Dtn 7,1–3a* einer dtr Redaktionsstufe zuschreibt, das Connubiumsverbot in v.3–4 aber einer nach-dtr., hexateuchischen Redaktionsstufe. Damit geht er in einer völlig neuen Weise mit N. Lohfinks Ansatz der Dtr Kapitel 5 und 9f* vor Kerntexten aus Dtn 6ff und 11* einerseits (ders., Das Hauptgebot. Eine Untersuchung literarischer Einleitungsfragen zu Dtn 5–11, AnBibl 20, Rom 1963) und R. Achenbachs dtr bzw. spätexilischen und frühnachexilischen Ansatz der Kap. 6–11* begonnenen Weg zu Ende, indem er Texte, die in der klassischen Exegese stets einer vorexilischen, charakteristisch „deuteronomischen“ Paränese zugerechnet wurden, in den Diskurs nach-exilischer schriftgelehrter Redaktionen im Rahmen der Genese des Hexateuchs einweist. Es bleibt abzuwarten, wann die Fachwelt von diesem Neuentwurf Kenntnis nimmt und dazu Stellung bezieht, denn damit wird konstatiert, dass das, was man traditionellerweise als „deuteronomisch-deuteronomistische Theologie“ beschrieben und in der vor-exilischen bis spät-exilischen Zeit vermutet hat, aus den Überlegungen und Schreiberhänden nach-exilischer Schriftgelehrter geflossen ist. Diese Grenzstellung der Paränesen in Dtn 6–8* korrespondiert mit den nach-dtr Vorstellungen des Königs- und Prophetengesetzes (Reinhard Achenbach, Das sogenannte Königsgesetz in Deuteronomium 17,14–20, ZAR 15, 216–233; ders., The Pentaeuch and the latter Prophets, in: Konrad Schmidt, The Pentateuch: International Perspectives on Curent Research, Zürich 2011, in Vorbereitung).

51 Darum ist der Vorschlag von Horst Seebass, Zu Numeri 25,1–18, in: A. Graupner/ H. Delkurt/A.B. Ernst (Hg.), Verbindungslinien, FS W.H. Schmidt, Neukirchen-Vluyn 2000, 351–362; ders., Numeri. 3. Teilband Numeri 22,2–36,13, BK IV/3, Neukirchen-Vluyn 2007, 108–145, der eine Grundschicht von v.1.3–8*.15.10.11–12* rekonstruiert, vermutlich auch hinfällig.

52 Der Text zeichnet sich durch ein sakralem Denken entsprechenden rigoristischen Exklusivismus aus, der den Midianiterfeldzug zu einem exemplarischen Vollzug eines göttlichen Racheaktes stilisiert, welcher sich an dem Versuch entzündet haben soll, Israels ausschließliche Gottesbeziehung zu Jahwe zu untergraben und damit eine Landnahme durch die Israeliten zu verhindern. Der Gedanke eines solchen Vorwurfs ist gänzlich fiktive priesterliche Konstruktion, vgl. zum Text Achenbach, Vollendung, 440–442.615–622; zum Nachtragscharakter der v.14–15.16–18 ebd., v.16–18 stehen in gewisser Weise analog zu der Anweisung zur Vertilgung der Amalekiter Dtn 25,17–19. Mitunter wird der gesamte Text als nachträglich in den Pentateuch eingetragenes Stück gedeutet, vgl. H. Seebass, Numeri, BK IV/3 (s.o. Anm. 51), 283–318.

53 ויקרב אל אחיו את המדינית- und wurde intim bei seinen Brüdern mit der Midianiterin, vgl. Jes 8,3: ואקרב אל הנביאה ותהר; weitere Deutungen vgl. Baruch A. Levine, Numbers 21–36, AB, New York 2000, 282–303; Jacob Milgrom, Numbers, JPS, New York — Philadelphia 1990, 211–218; H. Seebass, Numeri, BK IV/3 (s.o. Anm. 51), 108–145.

54 Unter Verweis auf die gleichlautende Ersetzung von אחיו durch אהלי in Gen 31,25.

55 Die Qubbah war unter den Proto-Beduinen des Alten Arabien als rotes, rundes Zelt bekannt, welches als Hochzeitszelt bis weit in die arabische Zeit hinein in Gebrauch war, während die Araber schwarze längliche Zelte für Hochzeiten nutzten (W. Robertson-Smith, Kinship and Marriage in Early Arabia, Cambridge 1885, 171 n. 6; E. Knauf, Midian, 163). Ob ihr auch kultische Funktionen zukamen, ist nicht genau rekonstruierbar (ders., n. 695, vs. H. Lammens, 1928; Morgenstern, HUCA 17, 1942/43; S.C. Reif, JBL 90, 1971).

56 Der Text ist für die Geschichte der hohepriesterlichen Institution ein Schlüsseltext, insofern er die Funktion hat, den in der legendären Genealogie des Aaron als Enkel des dritten Sohnes Eleasars in einer insbesondere gegen die Bestrebungen des sog. „levitischen Priestertums“ gerichteten Legendenbildung als den wahren „Vollstrecker des Eifers Gottes“ zugunsten des zadokidischen Führungsanspruches auf das Priestertum in Jerusalem in die vorderste Linie zu rücken, vgl. R. Achenbach, Vollendung, 434–440; der anti-midianitische/arabische Affekt wird von der gleichen Schule hier mit der Explikation der Namen und der Disposition für das aus spät-persischer Zeit stammende Kapitel Num 31 sekundär angehängt (ebd. 440–442).

57 Vgl. Ri 2,4.

58 Die Korrelation zwischen Num 25,6–15.16–18 und 17,6–15 und die ideologische Funktion hat in analoger Weise auch C. Nihan, Priestly Covenant (s.o. Anm. 41), 121ff. beschrieben.

59 Ex 20,5; Dtn 4,24; 5,9; 6,15; Ez 5,13; Jes 9,6 u.ö. S. aber auch 2 Kön 10,16.

60 D. Rooke, Zadok's Heirs: The Role and Development of the High Priesthood in Ancient Israel, OTM, Oxford 2000, 222–225.235–236. Zur Diskussion vgl. H.G.M. Williamson, The Historical Value of Josephus' Antiquities XI,297–301, JTS 28, 1977, 48–67; J. C. VanderKam, From Joshua to Caiaphas. High Priests after the Exile, Minneapolis — Assen 2004, 58–63.

61 Zu der Entwicklung dieser Thematik bis hin zur Etablierung des Konzepts, dass die als Schutzbürger an Israel assoziierten Fremden wie in mosaischer Zeit (Hexateuchredaktion) auch im Grundsatz die Möglichkeit der Integration in die religiöse Bundesgemeinde haben sollten, vgl. Reinhard Achenbach, Der Eintritt der Schutzbürger in den Bund (Dtn 29,10–12). Distinktion und Integration von Fremden im Deuteronomium, in: ders., Martin Arneth (Hg.), „Gerechtigkeit und Recht zu üben“ (Gen 18,19). Studien zur altorientalischen und biblischen Rechtsgeschichte, zur Religionsgeschichte und zur Religionssoziologie, FS Eckart Otto, BZAR 13, Wiesbaden 2009, 240–255; ders., gěr — nåkhrî — tôshav — zâr: Legal and Sacral Distinctions on Foreigners in the Pentateuch, in: ders., Albertz, Wöhrle (Hg.), Legal Distinctions.

62 Thomas B. Dozeman, The Midianites in the Formation of Numbers, 283–284, meint: „The debate is not about proselytes, or the status of the resident alien. It is, rather, a question of the nature of Yahwism itself, namely whether YHWH maintains relationships with nations outside of the Israelite cult. The non-Priestly author of the stories of Moses' Midianite father-inlaw holds open such a prospect … The Priestly author of the stories of Phinehas and the Midianites excludes such a possibility by arguing for the purity of only one form of YHWH's cult and a single line of priestly leaders. … Thus, rather than harmonizing the conflict into a single solution, both points of view are canonized in Torah and held in an uneasy tension for future readers, who also enter the debate over religious pluralism within new social and religious contexts.“

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