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Völkerrecht in der Hebräischen Bibel und seine altorientalischen Wurzeln


Pages 29 - 51

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.12.2006.0029




München

1 Siehe H. Steiger, Völkerrecht, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie XI, Basel 2002, (1096–1100) 1096f.

2 Siehe Verf., Völkerrecht III. Alter Orient und Israel, in: RGG4 VIII, Tübingen 2005, 1158f. Der Begriff des Völkerrechts soll also enger gefaßt werden als der des international law in dem Handbuch der Orientalistik (R. Westbrook [Hg.], A History of Near Eastern Law I/II, HdO 72/1– 2, Leiden/Boston 2003), das nicht das international public law, sondern vor allem grenzüberschreitendes Privatrecht und politische Vasallitätsverhältnisse im Blick hat. Siehe zu HdO 72/1–2 auch unten Anm. 10.

3 Siehe dazu u.a. J. Brierly, The Basis of Obligation in International Law and Other Papers, hg. v. H. Lauterpacht/C.H.M. Waldock (1958), Nachdruck Aalen 1977, 20.

4 S. dazu u.a. E. Besta, Il diritto internationale nel mondo antico, Mailand 1946, 10 Anm. 73.

5 So mit D.J. Bederman, International Law in Antiquity, Cambridge Studies in International and Comparative Law, Cambridge 2001, 11–15 (s. dazu die Rezension von K.-H. Ziegler, in: ZSRG.R 121, 2004, 526–535); K.-H. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, München 1994, 1–5; H. Steiger, Religion und historische Entwicklung des Völkerrechts, in: A. Zimmermann (Hg.), Religion und internationales Recht. Vortragsreihe am Walter-Schücking-Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel im Wintersemester 2004/05 und Sommersemester 2005, Veröffentlichungen des Walter-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel 159, Berlin 2006, (11–50) 13ff.

6 Siehe E. Edel, Der Vertrag zwischen Ramses II. von ägypten und Ḫattušili III. von Ḫatti, WVDOG 95, Berlin 1997. Vgl. dazu H. Klengel, Hattuschili und Ramses. Hethiter und ägypter -ihr langer Weg zum Frieden, Mainz 2002.

7 Siehe dazu S. Parpola, Neo-Assyrian Treaties from Royal Archives of Niniveh, JCS 39, 1987, 161–189; ders./K. Watanabe, Neo-Assyrian Treaties and Loyalty Oaths, SAA 2, Helsinki 1988. Diese Vertragstradition ist von einer westmediterranen zu unterscheiden, die von der hethitischen Tradition des Staatsverträge beeinflußt ist; siehe dazu V. Korošec, Hethitische Staatsverträge. Ein Beitrag zu ihrer juristischen Wertung, LRWS 60, Leipzig 1931; A. Altman, The Historical Prologue of the Hittite Vassal Treaties. An Inquiry into the Concepts of Hittite Interstate Law, Bar-Ilan Studies in Near Eastern Languages and Cultures, Ramat-Gan 2004; G. Kestemont, Diplomatique et droit international en Asie occidentale (1600–1200 av. J.C.), PIOL 9, Louvain-La-Neuve 1974. Für eine übersicht über die altorientalischen Staatsverträge in Syrien und Mesopotamien siehe H. Neumann, Keilschriftliche Staatsverträge Mesopotamiens und Nordsyriens, in: B. Egger/J. Derlien (Hg.), Register - Listen - Tabellen, Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike XVI, 2003, 321–327.

8 Siehe dazu K. Watanabe, Die adê-Vereidigung anläßlich der Thronfolgeregelung Asarhaddons, BaghM Beiheft 3, Berlin 1987.

9 Die neuassyrischen Loyalitätseide knüpfen an die junghethitischen Treueide bei irregulärer Thronfolge aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. an, die E. Schuler (Hethitische Dienstanweisungen für höhere Hof- und Staatsbeamte. Ein Beitrag zum antiken Recht Kleinasiens, AfO Beiheft 10, Graz 1957) als Dienstanweisungen edierte; siehe dazu F. Starke, Zur urkundlichen Charakterisierung neuassyrischer Treueide anhand einschlägiger hethitischer Texte des 13. Jh., ZAR 1, 1995, 70–82; ders., Zur „Regierung“ des hethitischen Staates, ZAR 2, 1996, 140–182, sowie fortführend Verf., Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien, BZAW 284, Berlin/New York 1999, 15–32.

10 Hinter der Bestreitung der Analogiefähigkeit des altorientalischen Rechts mit dem der Moderne stehen überholte, auf Henry S. Maine (Ancient Law. Its Connection with the Early History of Society and its Relation to Modern Ideas [1861], London 101906) zurückgreifende Evolutionshypothesen der Rechtsgeschichte, die sich weder für das biblische Recht (siehe Verf., Wandel der Rechtsbegründungen in der Gesellschaftsgeschichte des antiken Israel. Eine Rechtsgeschichte des „Bundesbuches“ Ex XX 22–XXIII 13, StB 3, Leiden/New York 1988, 60–79) noch für das Keilschriftrecht (siehe A.S. Diamond, The Evolution of Law and Order, London 1951) bewährt haben. Zur Kritik an A.S. Diamond, der ebenfalls einer Evolutionshypothese verhaftet bleibt, wenn er die eines Henry S. Maine nur auf den Kopf stellt, siehe S.F. Moore, Law as Process. An Anthropological Approach, London 1978, 215ff.; Verf., a.a.O., 94. Weiterführend ist mit einer Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen von der Gesellschaftsstruktur entsprechend sich überlagernden Rechtsgestalten zu rechnen, wie sich wieder anhand des biblischen Rechts (siehe Verf., Recht im antiken Israel, in: U. Manthe [Hg.], Die Rechtskulturen der Antike. Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich, München 2003, 151–190), insbesondere des Bundesbuches (siehe Verf., Rechtsbegründungen [StB 3], a.a.O.) aufzeigen läßt. Zu den methodischen Grundsätzen der Korrelierung von Gesellschaftsstrukturen und sich überlagernden Rechtsgestalten siehe auch L. Pospíšil, Legal Levels and Multiplicity of Legal Systems in Human Societies, Journal of Conflict Resolution 11, 1967, 2–25; ders., Anthropologie des Rechts. Recht und Gesellschaft in archaischen und modernen Kulturen, München 1982, 137–171. Im Handbuch der Orientalistik (HdO 72, 1–2) wird das Problem imperfektiven Rechts des Alten Orients im Vergleich zum modernen dadurch minimiert, daß es der religiösen Dimension weitgehend entkleidet und so dem römischen Recht angepaßt wird. Die dadurch gewonnene Analogiefähigkeit des altorientalischen Rechts ist aber nur eine scheinbare, da die Rechte der differenzierten altorientalischen Rechtsprovinzen um der These eines altorientalischen „common law“ willen ihrer kulturhistorischen Kontexte entkleidet werden; siehe dazu Verf., Recht ohne Religion. Zur „Romanisierung“ der altorientalischen Rechtsgeschichte im „Handbuch der Orientalistik“, ZAR 11, 2005, 296–303 (vgl. auch unten Anm. 73), sowie zur religiösen Bindung des vorklassischen Völkerrechts siehe D.J. Bederman, International Law (Cambridge 2001), 48–87 mit weiterer Literatur. Zur religiösen Bindung des Rechts in den unterschiedlichen Rechtsprovinzen des Alten Orients siehe Verf., Der Zusammenhang von Herrscherlegitimation und Rechtskodifizierung in altorientalischer und biblischer Rechtsgeschichte, ZAR 11, 2005, 51–92. Zur religiösen Motivierung der Völkerrechtsmotivik in der Hebräischen Bibel siehe im folgenden.

11 Siehe W. Preiser, Zum Völkerrecht der vorklassischen Antike, Archiv für Völkerrecht 4, 1953/54, 257–289; ders., Epochen der antiken Völkerrechtsgeschichte, Juristen-Zeitung 23/24, 1956, 737–744; ders., History of the Law of Nations. Basic Questions and Principles, in: Encyclopedia of Public International Law VII: History of International Law; Foundations and Principles of International Law; Sources of International Law; Law of Treaties, Amsterdam/New York 1984, 126–160.

12 Siehe K.-H. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte (München 1994), 12–27.

13 Siehe D.J. Bederman, International Law (Cambridge 2001), passim. Siehe dazu auch die Rezensionen von Verf., Völkerrecht in der Antike, ZAR 9, 2003, 201–209; K.-H. Ziegler, in: ZSRG.R 121, 2004, 526–535.

14 Siehe S. Grosby, Biblical Ideas of Nationality. Ancient and Modern, Winona Lake 2002. Siehe dazu auch Verf., Recht und „Nation“ im Antiken Israel. Zu einem Buch von Steven Grosby, ZAR 10, 2004, 365–370. Zur kanonistischen Rezeptionsgeschichte des Alten Testaments, insbesondere der David- und Salomoerzählungen, in der Definition der Staatssouveränität im Mittelalter siehe B. Paradisi, Formùle di sovranità e tradizione biblica (Contributo alla storia della sovranità medievale), in: Studia et Documenta Historiae et Iuris 50, Rom 1984, 99–166.

15 Siehe dazu Verf., Pentateuch, in: RGG4 VI, Tübingen 2003, 1089–1102 mit weiterer Literatur.

16 Siehe Verf., Gottes Recht als Menschenrecht. Rechts- und literaturhistorische Studien zum Deuteronomium, BZAR 2, Wiesbaden 2002, 92ff.

17 Zum neuassyrischen Kontext von 2 Sam 10,6b–14.16–19a siehe A. Kunz, Zum rechtlichen Hintergrund der ammonitisch-aramäischen Militärkoalition, ZAR 6, 2000, 126–154. In der neuassyrischen Krise beginnt überhaupt erst die Literaturwerdung in der Hebräischen Bibel; siehe dazu Verf., Political Theology in Judah and Assyria. The Beginning of the Hebrew Bible as Literature, SE→ 65 (FS T.N.D. Mettinger) 2000, 56–76. Die davidischen Feldzugserzählungen einschließlich 1 Sam 10,1b-6a sind wie auch die Kriegserzählungen des vordtr Josuabuches an den neuassyrischen Königsinschriften ausgerichtet; siehe dazu K.L. Younger, Ancient Conquest Accounts. A Study of Ancient Near Eastern and Biblical History Writing, JSOT.S 98, Sheffield 1990, 61ff. 197ff. In diese Zeit sind auch die ältesten Saul-Erzählungen in 1 Sam 8–2 Sam 1 zu datieren; siehe dazu Verf., Tora und Charisma. Legitimation und Delegitimation des Königtums in 1 Samuel 8 − 2 Samuel 1 (in diesem Jahrgang der ZAR).

18 Siehe dazu CAD/K, 303f. (katāru A). 467 (kitru A).

19 Siehe M. Liverani, kitru, katāru, Mesopotamia 17, 1982, 43–65; B. Oded, War, Peace and Empire. Justification for War in Assyrian Royal Inscriptions, Wiesbaden 1992, 47f. Das mit der kitru-Institution in assyrischen Königsinschriften verbundene Motiv der Rebellion wird auch in Ps 2 aufgenommen; siehe Verf., The Judean Legitimation of Royal Rulers in Its Ancient Near Eastern Contexts, in: D.J. Human/C.J.A. Vos (Hg.), Psalms and Liturgy, JSOT.S 410, London/New York 2004, 131–139.

20 Siehe dazu Verf., Völkerrecht und Völkerordnung in der Tora der Hebräischen Bibel in achämenidischer Zeit, in: J. Hengstl/U. Sick (Hg.), Recht heute und im Alten Orient. FS R. Haase, Philippika, Wiesbaden 2006 (im Druck).

21 Zur Hexateuchredaktion im Pentateuch siehe Verf., Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumrahmens, FAT 30, Tübingen 2000, 110–173. Zum Diskussionsstand der postdtr Formierung des Pentateuch siehe Verf., Forschungen zum nachpriesterschriftlichen Pentateuch, ThR 67, 2002, 125–155, sowie ders., Pentateuch, RGG4 VI, Tübingen 2003, 1089–1102 jeweils mit weiterer Literatur.

22 Siehe Verf., Pentateuch (FAT 30), 132ff. 137, sowie R. Achenbach, Die Vollendung der Tora. Studien zur Redaktionsgeschichte des Numeribuches im Kontext von Hexateuch und Pentateuch, BZAR 3, Wiesbaden 2003, 335–344. Zur dtr-exilischen Verbindung des dtr Deuteronomiums mit den Kriegserzählungen des Josuabuches (DtrL) siehe Verf., Pentateuch (FAT 30), 75–86. 240–246. Daß das Josuabuch in den Kontext eines Hexateuch gehört (siehe bereits Verf., Das Mazzotfest in Gilgal, BWANT 105, Stuttgart 1975, 26–103), ist lange durch die Großhypothese eines Deuteronomistischen Geschichtswerkes verdunkelt worden. Siehe dazu jetzt auch R. Achenbach, Pentateuch, Hexateuch und Enneateuch. Eine Verhältnisbestimmung, ZAR 11, 2005, 122–154.

23 Diese Lokalisierung des Einzugs in das cisjordanische Territorium ist bereits durch die vordtr mit dem Raum von Gilgal und Jericho verbundenen Heiligtums- und Kriegserzählungen in Jos 3–6* vorgegeben; siehe dazu Verf., Mazzotfest (BWANT 105), 104ff.; ders., Gilgal, TRE XIII, Berlin/New York 1984, 268–270. Der exilisch-dtr Redaktor DtrL, der das dtr Deuteronomium der Dekalogredaktion (DtrD) fortschrieb und mit dem dtr Josuabuch verband, war bereits an die Vorgabe gebunden und hat entsprechend die Promulgierung des Deuteronomiums von der DtrD kennzeichnenden Lokalisierung am Gottesberg in die Gefilde Moabs verlegt. Diese Lokalisierung wird dann von der nachexilischen Hexateuchredaktion aufgenommen.

24 Siehe Verf., Pentateuch (FAT 30), 110–138 mit weiterer Literatur.

25 So als lectio difficilior mit LXX und Vulg., während MT, Sam. und Targ. in später schriftgelehrter Korrektur an Num 20,14–21 angleichen.

26 Siehe auch Herodot, Hist. III:88: „Die Araber nämlich waren in keiner Weise den Persern dienstpflichtig, sondern gewährten Gastfreundschaft, als sie Kambyses im Feldzug gegen ägypten hatten durchziehen lassen: denn gegen den Willen der Araber hätten die Perser nicht in ägypten eindringen können.“

27 Siehe dazu D.J. Mosley, Crossing Greek Frontiers under Arms, RIDA III/20, 1973, 161–169.

28 Siehe dazu auch Plut. Demetr. 29.

29 Siehe dazu H. Bengston, Die Staatsverträge des Altertums, Bd. II, München 21975, Nr. 193; W.G. Grewe (Hg.), Fontes Historiae Gentium, Bd. I: 1380 v. Chr. — 1493, Berlin/New York 1995, II.4c (S. 55–57).

30 Zum Mosebild in persischer Zeit siehe Verf., Die Tora des Mose. Die Geschichte der literarischen Vermittlung von Recht, Religion und Politik durch die Mosegestalt, Berichte aus den Sitzungen der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften Hamburg, 19 Heft 2, Göttingen 2001, 49– 58; ders., Mose. Geschichte und Legende, Beck'sche Reihe 2400, München 2006, 54–64.

31 Siehe Verf., Pentateuch (FAT 30), 133f., sowie R. Achenbach, Vollendung (BZAR 3), 358–366.

32 Zur Komplexität des dtr-exilischen Mosebildes siehe Verf., Tora des Mose (Göttingen 2001), 33– 48; ders., Mose (Beck'sche Reihe 2400), 42–54. Zweifelsohne werden mit der Zeichnung des Mose als erfolgreichen Heerführer die Erfahrungen der Niederlage von 586 v. Chr. wie bereits in den vordtr Erzählungen des Josuabuches solche der militärischen übermacht der Assyrer verarbeitet. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich in der ebenfalls in der Exilszeit bearbeiteten Meerwundererzählung der Priesterschrift in Ex 14.

33 Siehe Verf., Pentateuch (FAT 30), 132–135.

34 Siehe B. Oded, War (Wiesbaden 1992), 45ff.

35 Siehe G. Ahn, Die religiöse Herrscherlegitimation im achämenidischen Iran, Acta Iranica 31, Leiden/New York 1992, 255ff.

36 Zum Zusammenhang zwischen achämenidischer Herrscher- und Rechtslegitimation siehe Verf., Die Rechtshermeneutik des Pentateuch und die achämenidische Rechtsideologie in ihren altorientalischen Kontexten, in: M. Witte/M. Th. Fögen (Hg.), Kodifizierung und Legitimierung des Rechts in der Antike und im Alten Orient, BZAR 5, Wiesbaden 2005, (71–116) 85–90.

37 Zur Abfassung von Jos 24 in nachexilischer Zeit als Teil der Hexateuchredaktion siehe Verf., Pentateuch (FAT 30), 219–222. 244–247 mit weiterer Literatur.

38 Zur Bedeutung Sichems in der Geschichte Israels siehe Verf., Jakob in Sichem. überlieferungsgeschichtliche, archäologische und territorialgeschichtliche Studien zur Entstehungsgeschichte Israels, BWANT 110, Stuttgart 1979, sowie ders., Sichem, RGG4 VII, Tübingen 2004, 1295–1296 mit weiterer Literatur. Dieser nachexilische Autor (HexRed) vertritt ein großisraelitisches Ideal unter Einschluß des samaritanischen Gebietes der früheren 10 Stämme Israels im Gegensatz zum Pentateuchredaktor, der das Josuabuch vom Hexateuch abtrennt und so den Pentateuch schafft. Dieser dem Hexateuchredaktor (HexRed) in der Fortschreibung des Pentateuch folgende Autor (PentRed) stellt anstelle des Landes das Gesetz ins Zentrum jüdischer Identität.

39 Hier wird deutlich, daß es nicht um den Bericht historischen Geschehens, sondern um eine theologische Diskussion der Frage, wer den Völkern ihr Land zuweist, geht. Religionshistorisch gefährlich werden derartige Erzählungen erst, wenn die für die antiken Erzähler und Leser selbstverständliche Differenzierung zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit verlorengeht. Dem Erzähler wie seinen Lesern war klar, daß Israel in nachexilischer Zeit keinen Bann an einem fremden Volk vollziehen kann und, da es um die Erzählzeit geht, auch in der erzählten Zeit so niemals vollstreckt hat. Hier wird deutlich, in welche Gefahren eine synchrone Interpretation gerät, die sich mit der intentio auctoris auch der Differenzierung von Erzählzeit und erzählter Zeit begibt; siehe dazu Verf., Wie „synchron“ wurde in der Antike der Pentateuch gelesen?, in: F.-L. Hoßfeld/L. Schwienhorst-Schönberger (Hg.), Das Manna fällt auch heute noch. Beiträge zur Geschichte und Theologie des Alten Testaments/Ersten Testaments. FS E. Zenger, HBS 44, Freiburg/Br. 2004, 470–485; ders., The Pentateuch in Synchronical and Diachronical Perspektives: Protorabbinic Scribal Erudition Mediating Between Deuteronomy and the Priestly Code, in: E. Otto/R. Achenbach (Hg.), Das Deuteronomium zwischen Pentateuch und Deuteronomistischem Geschichtswerk, FRLANT 206, Göttingen 2004, 14–35.

40 In der vom Autor des Hexateuch (HexRed) stark bearbeiteten Gibeoniten-Episode in Jos 9 kommt diese intentio auctoris ebenfalls zum Ausdruck. Israel hält sich an die von ihm eingegangenen Vertragsverpflichtungen und verzichtet auf einen Angriff selbst dann, wenn der Vertragspartner sich bei dem Zustandekommen des Vertrags des Mittels des Täuschung bedient hat; siehe dazu auch H. Steiger, Völkerrecht (Berlin 2006), 16f. Im literaturhistorischen Kern aber ist diese schon vordtr im 8./7. Jahrhundert v. Chr. verfaßte Erzählung ein Protest gegen die neuassyrische Praxis, den tatsächlichen vielmehr aber noch nur behaupteten Vertragsbruch als legitimen Kriegsgrund ins Feld zu führen.

41 Siehe dazu Verf., Theologische Ethik das Alten Testaments, ThW 3/2, Stuttgart 1994, 187–190. 251. 254f.; ders., Programme der sozialen Gerechtigkeit. Die neuassyrische (an-)durāru-Institution sozialen Ausgleichs und das deuteronomische Erlaßjahr in Dtn 15, ZAR 3, 1997, 26–63; ders., Soziale Restitution und Vertragsrecht, RA 92, 1998, 125–160; ders., Gottes Recht (BZAR 2), 195–239.

42 Siehe dazu A. Rofé, The Laws of Warfare in the Book of Deuteronomy. Their Origins, Intent and Positivity, JSOT 32, 1985, 23–44; Verf., Deuteronomium (BZAW 284), 229ff. jeweils mit weiterer Literatur.

43 Siehe dazu zusammenfassend Verf., Gottes Recht (BZAR 2), 1–91, sowie ders., Deuteronomium, in: RGG4 II, Tübingen 1999, 693–696 mit weiterer Literatur.

44 Siehe dazu Verf., Bundesbuch, in: RGG4 I, Tübingen 1998, 1876–1877 mit weiterer Literatur.

45 In diesem im Alten Orient einmaligen Vorgang ist eine der historischen Wurzeln der Menschenrechte als Abwehrrechte gegen den Staat zu sehen (siehe dazu Verf., Staat – Gemeinde – Sekte. Soziallehren des antiken Judentums [in diesem Jahrgang der ZAR]), die ein hellenisches Gegenbild in der Antigone des Sophokles hat (siehe VV. 471–473), das also den Weg in eine naturrechtliche Begründung der Menschenrechte eröffnete. In der Frühen Neuzeit wurde auch an das Alte Testament angeknüpft und der Boden für die Realisierung der Menschenrechte in der Moderne bereitet. Siehe dazu Verf., Human Rights: The Influence of the Hebrew Bible, JNWSL 25/1 (Gedenkschrift für H. Olivier), 1999, 1–20; ders., „Menschenrechte“ im Alten Orient und im Alten Testament, in: G. Höver (Hg.), Religion und Menschenrechte. Genese und Geltung, Schriften des Zentrums für Europäische Integrationsforschung 29, Baden-Baden 2001, 13–45; ders., Gottes Recht (BZAR 2), 167–195.

46 Siehe dazu Verf., Ethik (ThW 3/2), 186–192. 198; ders., Geschwisterethik, in: RGG4 III, Tübingen 2000, 822–823 mit weiterer Literatur. Zweifelsohne sind auch die Frauen in dieses System der Geschwisterethik eingebunden; siehe dazu Verf., False Weights in the Scales of Biblical Justice? Different Views of Women from Patriarchal Hierarchy to Religious Equality in the Book of Deuteronomy, in: V.H. Matthews/B.M. Levinson/T. Frymer-Kensky (Hg.), Gender and Law in the Hebrew Bible and the Ancient Near East, JSOT.S 262, London 22005, 128–146; ders., Gottes Recht (BZAR 2), 248–268 mit weiterer Literatur.

47 Zur literaturhistorischen Analyse der Kriegsgesetze des Deuteronomiums siehe Verf., Deuteronomium (BZAW 284), 229–233; ders., Pentateuch (FAT 30), 255–257.

48 Siehe dazu Verf., Zwischen Strafvernichtung und Toleranz. Kulturgeschichtliche Aspekte im Umgang des neuassyrischen Reiches mit dem besiegten Feind, in: O. Kraus (Hg.), „Vae Victis“. über den Umgang mit Besiegten. Referate gehalten auf der Tagung der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften Hamburg am 31. Oktober und 1. November 1997, Veröffentlichungen der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften Hamburg 86, Göttingen 1998, 9–44 mit weiterer Literatur. Zum religiösen Kontext neuassyrischer Kriegspraxis siehe Verf., Krieg und Frieden in der Hebräischen Bibel und im Alten Orient. Aspekte für eine Friedensordnung in der Moderne, ThFr 18, Stuttgart 1999, 37–75; ders., Die besiegten Sieger. Von der Macht und Ohnmacht der Ideen in der Geschichte am Beispiel der neuassyrischen Großreichspolitik, BZ (N.F.) 43, 1999, 180–203. Zu den religiösen Voraussetzungen neuassyrischer Politik siehe jüngst auch grundsätzlich St.W. Holloway, Aššur is King! Aššur is King! Religion in the Exercise of Power in the Neo-Assyrian Empire, CAHANE 10, Leiden/Boston 2002, 80ff. (siehe dazu Verf., Politische Theologie in Assyrien und Juda. Zu einem Buch von Steven W. Holloway, ZAR 11, 2005, 304–311); G.W. Vera Chamaza, Die Omnipotenz Aššurs. Entwicklungen der Aššur-Theologie unter den Sargondien Sargon II., Sanherib und Asarhaddon, AOAT 295, Münster 2002 (siehe dazu die Rezension in diesem Jahrgang der ZAR).

49 Siehe Verf., Krieg und Frieden (ThFr 18), 98–107.

50 Siehe dazu S.W. Cole, The Destructions of Orchards in Assyrian Warfare, in: S. Parpola/R.M. Whiting (Hg.), Assyria 1995. Proceedings of the 10th Anniversary Symposium of the Neo-Assyrian Text Corpus Project Helsinki, September 7–11, 1995, Helsinki 1997, 29–40. Zu einer neuassyrischen Reliefdarstellung, die das Umhauen von Fruchtbäumen zeigt, siehe Verf., Krieg und Frieden (ThFr 18), 100.

51 Zum Text siehe A. Fuchs, Die Inschriften Sargons II. aus Khorsabad, Göttingen 1993, 148f.: 288–291.

52 Ein Palastrelief Sargons II. zeigt einen assyrischen Offizier, der im Schutze einer Belagerungsmaschine die Bevölkerung zur Kapitulation auffordert; siehe Y. Yardin, The Art of Warfare in Biblical Lands in the Light of Archaeological Discovery, London 1963, 425 in Verbindung mit 320; Verf., Krieg und Frieden (ThFr 18), 101. Zu 2 Köng 18, 17–37; 19, 8–13 siehe N. Na'aman, Updating the Messages: Hezekiah's Second Prophetic Story (2 Kings 19.9b-35) and the Community of Babylonian Deportees, in: L.L. Grabbe (Hg.), „Like a Bird in a Cage“. The Invasion of Sennacherib in 701 BCE, JSOT.S 363, London 2003, 201–220 (siehe die Rezension in diesem Jahrgang der ZAR).

53 Siehe I. Starr, Queries to the Sungod. Divination and Politics in Sargonid Assyria, SAA IV, Helsinki 1990, 30:9; 43:9; 44:10; 63:7–8; 267:9.

54 Siehe I. Starr, a.a.O., 101:5.

55 Siehe dazu I. Eph'al, Ways and Means to Conquer a City, in: S. Parpola/R.M. Whiting (Hg.), Assyria 1995. Proceedings of the 10th Anniversary Symposium of the Neo-Assyrian Text Corpus Project Helsinki, September 7–11, 1995, Helsinki 1997, 49–53.

56 Siehe dazu Verf., Die keilschriftlichen Parallelen der Vindikationsformel in Dtn 20,10, ZAW 102, 1990, 94–96.

57 Siehe dazu bereits P. Koschaker, Eheschließung und Kauf nach alten Rechten mit besonderer Berücksichtigung der ältesten Keilschriftrechte, ArOr 18/3, 1950, (210–296) 251 Anm. 42. Die Bedeutung der Formel in CE § 25 ist eindeutig als die einer Vindikation durch CE § 17 festgelegt; siehe dazu Verf., Rechtsgeschichte der Redaktionen im Kodex Ešnunna und im „Bundesbuch“. Eine redaktionsgeschichtliche und rechtsvergleichende Studie zu altbabylonischen und altisraelitischen Rechtsüberlieferungen, OBO 85, 1989, 25ff. Siehe ferner auch den Forschungsüberblick von R. Yaron, The Laws of Eshnunna, Jerusalem 21988, 191ff.

58 Siehe R. Haase, Die Fragmente der hethitischen Gesetze, Wiesbaden 1968, 157ff.; ders., Immer wieder: Die Formel parnaššeya šuwaizzi, in: ders., Keilschriftrechtliche Marginalien, Leonberg 1996, 80f.; H.J. Güterbock, Noch einmal die Formel parnaššea šuwaizzi, Or (N.F.) 52, 1983, 73–80; H.A. Hoffner, The Law of the Hittites. A Critical Edition, DMOA 23, Leiden/New York 1997, 168f. mit weiterer Literatur.

59 In das exilische Deuteronomium des Autors DtrL werden die vorexilischen Kriegsgesetze eingeführt und der kriegerischen Landnahmedarstellung in Dtn 1–3 sowie im dtr Josuabuch (DtrL) dienstbar gemacht, wobei die pazifizierenden Impulse der spätvorexilischen überlieferung z.T. zurückgenommen werden.

60 Siehe unten V.

61 Siehe dazu Verf., Krieg und Frieden (ThFr 18), 107–121.

62 Siehe dazu Verf., Zwischen Imperialismus und Friedensoption. Religiöse Legitimation politischen Handelns in der orientalischen und okzidentalen Antike, in: F. Schweizer (Hg.), Religion, Politik und Gewalt. Akten des XII. Europäischen Kongresses für Theologie 18.–22. September 2005, VWGTh, Gütersloh 2006 (im Druck).

63 Zur nachexilischen Abfassung der Weissagung Jes 2,2–4, die im Kontext der späten Fortschreibungen des Jesajabuches zu interpretieren ist, siehe O.H. Steck, Der Abschluß der Prophetie im Alten Testament. Ein Versuch zur Frage nach der Vorgeschichte des Kanons, BThSt 17, Neukirchen-Vluyn 1991, 26 Anm. 33 einerseits und U. Berges, Das Buch Jesaja. Komposition und Endgestalt, HBS 16, Freiburg/Br. 1998, 75f. andererseits.

64 Siehe dazu K.-H. Ziegler, Gerechter Krieg, in: A. Erler/E. Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte I, 1971, 1532–1536 mit weiterer Literatur.

65 Siehe auch Augustinus Epist. 138,1 (CSEL 44,141) mit Hinweis auf Lk 3,14. Zur jüdischen Rezeptionsgeschichte der Rechtstraditionen der Hebräischen Bibel siehe J. Maier, Kriegsrecht und Friedensordnung in jüdischer Tradition, ThFr 14, Stuttgart 2000.

66 Siehe H. Grotius, De iure belli ac pacis libri tres III,6,3; cf. ders., Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens Paris 1625 nebst einer Vorrede von Christian Thomasius zur ersten deutschen Ausgabe des Grotius vom Jahre 1707. Neuer deutscher Text und Einleitung von W. Schätzel, Klassiker des Völkerrechts I, Tübingen 1950, 422. Zu den mittelalterlichen Vorstufen zu der sich hier bei Hugo Grotius niederschlagenden Tendenz zur Säkularisierung des Rechts siehe H.J. Berman, Law and Revolution. The Formation of the Western Legal Tradition, Cambridge/Mass. 1983, 273ff. Eine Historisierung der Gebote der Kriegsführung im Alten Testament als nur für die Juden gültig wird u.a. von Johannes Calvin für die wirtschaftsethischen Gebote wie das Zinsverbot vertreten.

67 Siehe dazu nur die Skizze von A. Erler, Bibel, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte I, 1971, 411–416.

68 Siehe dazu S.D. McBride, Deuteronomy, in: Dictionary of Biblical Interpretation I, Nashville 1999, 273–294 mit weiterer Literatur.

69 Siehe dazu Verf., Gerechtigkeit und Erbarmen im Recht des Alten Testaments und seiner christlichen Rezeption, in: ders., Kontinuum und Proprium. Studien zur Sozial- und Rechtsgeschichte im Alten Orient und im Alten Testament, Orientalia Biblica et Christiana 8, Wiesbaden 1996, 342– 357, Wiederabdruck in: J. Assmann/B. Janowski/M. Welker (Hg.), Gerechtigkeit. Richten und Retten in der abendländischen Tradition und ihren altorientalischen Ursprüngen, München 1998, 79–95.

70 Siehe dazu Verf., Wirtschaftsethik im Alten Testament, in: ders., Kontinuum und Proprium. Studien zur Sozial- und Rechtsgeschichte im Alten Orient und im Alten Testament, Orientalia Biblica et Christiana 8, Wiesbaden 1996, 331–341; ders., „Wer wenig im Leben hat, soll viel im Recht haben“. Die kulturhistorische Bedeutung der Hebräischen Bibel für eine moderne Sozialethik, in: B.M. Levinson/E. Otto (Hg.), Recht und Ethik im Alten Testament. Beiträge des Symposiums „Das Alte Testament und die Kultur der Moderne“ anläßlich des 100. Geburtstags Gerhard von Rads (1901–1971) Heidelberg 18.–21. Oktober 2001, atm 13, Münster 2004, 181–188.

71 Siehe dazu Verf., Friedensoption (VWGTh), im Druck.

72 Für eine Einordnung des biblischen Rechts einschließlich des Völkerrechts in den Horizont antiker Rechtsgeschichte als Voraussetzung einer bis in die Moderne geführten Rezeptionsgeschichte siehe Verf., Law and Ethics, in: S.I. Johnston (Hg.), Religions of the Ancient World, Cambridge/Mass. 2004, 85–97. 237–239; ders., Recht und Ethos in der ost- und westmediterranen Antike. Entwurf eines Gesamtbildes, in: M. Witte (Hg.), Gott und Mensch im Dialog. FS O. Kaiser, Bd. I, BZAW 345/I, Berlin/New York 2004, 91–109 jeweils mit weiterer Literatur.

73 Zur Kritik der These eines altorientalischen „common law“ unter Einschluß des biblischen Rechts siehe B.S. Jackson, Wisdom-Laws. A Study of the Mishpatim of Exodus 21:1–22:16, Oxford 2005, 10–16; Verf., Aspects of Legal Reform and Reformulations in Ancient Cuneiform and Israelite Law, in: B.M. Levinson (Hg.), Theory and Method in Biblical and Cuneiform Law. Revision, Interpolation, and Development, London 22006, 160–196.

74 Siehe dazu H. Steiger, Völkerrecht, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike XV/3, Stuttgart 2003, 1043–1049 mit weiterer Literatur.

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