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Sakralisierung des Rechts im Alten Testament? Zu einem Buch von Volker Wagner


Pages 351 - 360

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.11.2005.0351




München

Prof. Dr. Eckart Otto, Institut für Alttestamentliche Theologie, Evangelisch-Theologische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, Schellingstr. 3/IV VG, D-80799 München (e-mail: eckart.otto@lrz.uni-muenchen.de)

1 Rezensionsartikel zu Volker Wagner, Profanität und Sakralität im Alten Testament (BZAW 351; Berlin/New York 2005, IX + 358 S.).

2 Siehe dazu W. Schottroff, Zum alttestamentlichen Recht, VuF 22, 1977, (3–43) 25f.

3 Siehe E. Otto, Wandel der Rechtsbegründungen in der Gesellschaftsgeschichte des antiken Israel. Eine Rechtsgeschichte des „Bundesbuches“ Ex XX 22–XXIII 13, Studia Biblica 3, Leiden/New York 1988, bes. 72–74, aufgenommen u.a. von R. Albertz, Die Theologisierung des Rechts im Alten Testament, in: ders./S. Otto (Hg.), Religion und Gesellschaft. Studien zu ihrer Wechselwirkung in den Kulturen des Antiken Vorderen Orients. Veröffentlichungen des Arbeitskreises zur Erforschung der Religions- und Kulturgeschichte des Antiken Vorderen Orients 1, AOAT 248, Münster 1997, 115–132. Bereits Max Weber hat implizit in der Beschreibung alttestamentlicher Rechtsgeschichte (siehe M. Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. Schriften und Reden 1911–1920, hg. von E. Otto unter Mitwirkung von Julia Offermann, MWG I/21.1–2, Bd. 1–2, Tübingen 2005, 321ff.) mit der Kategorie der Theologisierung des Rechts gearbeitet; siehe dazu E. Otto, Die Tora in Max Webers Studien zum antiken Judentum. Grundlagen für einen religions- und rechtshistorischen Neuansatz in der Interpretation des biblischen Rechts, ZAR 7, 2001, 1–188; ders., Max Webers Studien des Antiken Judentums. Historische Grundlegung einer Theorie der Moderne, Tübingen 2002, 83ff.; ders., Einleitung, in M. Weber, a.a.O., Bd. 1, (1–144) 6ff. 98ff. Die These des Verf. (S. 9) „seit E. Otto werden ‚Theologisierungsprozesse’ im Alten Testament beschrieben“, ist so also nicht ganz korrekt. Allerdings sind derartige Prozesse erheblich differenzierter zu beschreiben, als es vor fast einhundert Jahren Max Weber tat. Wie dies heute zu geschehen hat, habe ich in der Diskussion mit Max Weber zu entfalten gesucht; siehe E. Otto, Max Webers Studien des Antiken Judentums (Tübingen 2002), 278– 313, sowie ders., Recht im antiken Israel, in: U. Manthe (Hg.), Die Rechtskulturen der Antike. Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich, München 2003, 151–190.

4 Siehe A. Alt, Die Ursprünge des israelitischen Rechts, in: ders., Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, Bd. 1, München 1959, (278–332) 313.

5 Siehe F. Stolz, Einführung in den biblischen Monotheismus, Darmstadt 1996, 16f.

6 Allerdings haben sich Exegeten im Gefolge Wellhausens wie R. Smend (sen.), A. Bertholet und B. Baentsch nicht darauf einigen können, ob sich in dieser Differenzierung Profanisierungs- oder Sakralisierungsprozesse literarisch im Bundesbuch niedergeschlagen haben; siehe dazu den Forschungsbericht in E. Otto, Theologische Ethik des Alten Testaments, ThW 3/2, Stuttgart 1994, 18–21mit weiterer Literatur.

7 Daß die vom Verf. der „Sitte“ zugesprochenen Gebote vom Recht geschieden seien, ist in dieser einfachen Fassung, in der der Verf. die These vorträgt, kaum richtig. Zunächst ordnet er mit Ex 22,20–26 und Ex 23,1–12 recht unterschiedliche Gebote zusammen, die nur eines im Bundesbuch gemeinsam haben, daß sie rechtslegitimierende Funktion in ihrem theologischen Gehalt wie ihrer redaktionellen Stellung haben. Das aber bedeutet, daß sie auf das engste auf das Recht, das sie zusammen mit Ex 21,2–11 rahmen, bezogen sind.

8 Dahinter stehen m.E. nicht Prozesse der Sakralisierung oder Theologisierung von Rechtsvollzügen, sondern einer zunehmenden Selbstreflexivität des Rechts in Krisenzeiten. Noch problematischer dürfte es sein, von der theologischen Reflexion auf faktische Lebensvollzüge schließen zu wollen.

9 Zur älteren Diskussion siehe H. McKeating, Sanctions Against Adultery in Ancient Israelite Society. With Some Reflections on Methodology in the Study of Old Testament Ethics, JSOT 11, 1979, 57–72. Siehe dazu E. Otto, Theologische Ethik des Alten Testaments, (ThW 3/2), 45.

10 Siehe A. Fitzpatrick-McKinley, The Transformation of Torah from Scribal Advice to Law, JSOT.S 287, Sheffield 1999, 54ff. Siehe dazu meine Rezension in ZAR 5, 1999, 310–318.

11 Siehe B.S. Jackson, Studies in the Semiotics of Biblical Law, JSOT.S 314, Sheffield 2000, 42ff. Sie dazu E. Otto, Semiotik des biblischen Rechts, ZAR 9, 2003, 220–237.

12 Siehe H. Liss, Kanon und Fiktion. Zur literarischen Funktion biblischer Rechtstexte, BN (NF) 121, 2004, 7–38.

13 Siehe H. Liss, a.a.O., 18. Siehe dagegen E. Otto, Gab es „historische“ und „fiktive“ Aaroniden im Alten Testament?, ZAR 7, 2001, 403–414.

14 Gerade an Lev 17 (siehe dazu H. Liss, a.a.O., 27–30) zeigt sich, daß Fiktionalität des Rechts im Pentateuch nicht der „Verunmöglichung seiner Applikation“ dient (so H. Liss, a.a.O., 30), sondern in Kauf genommenes Ergebnis des schriftgelehrten Ausgleichs unterschiedlicher Rechtstraditionen im Zuge redaktioneller Arbeit post-P und post-Dtn ist. Ein besonders eindeutiges Beispiel einer aufgrund des schriftgelehrten Ausgleichs divergierender Gesetze in Kauf genommenen Fiktionalität ist die chronistische Passaüberlieferung in 2 Chron 35,7–14; siehe dazu E. Otto, Artikel pāsaḥ/paesaḥ, ThWAT VII, Stuttgart 1989, (659–682) 678f.; ders., Rechtshermeneutik in der Hebräischen Bibel. Die israelitischen Ursprünge halachischer Bibelauslegung, ZAR 5, 1999, (75–98) 90f.

15 Da der Verf. nicht zwischen vorexilischem Ruhetag und Sabbat differenzieren will (siehe dazu grundlegend G. Robinson, The Origin and Development of the Old Testament Sabbat. A Comprehensive Exegetical Approach, BET 21, Frankfurt/Main 1988), entgehen ihm die Belege eines frühen Ruhetags in ihrer Bedeutung, die noch nicht den Begriff Sabbat verwenden können. Siehe dazu im folgenden.

16 Der Verf. ist in der literaturhistorischen Einordnung nicht ganz konsistent. So rechnet er das Gebot einmal zur „deuteronomischen bis (spät)deuteronomistischen Literatur“ (S. 55 Anm. 178), bezeichnet es an anderer Stelle als „vielleicht deuteronomisch beeinflußt (…)“ (S. 121), um schließlich zu konstatieren, daß über das Alte „kaum etwas Sicheres“ auszumachen sei (S. 117).

17 Hätte der Verf. (S. 117–121) diese Verbindung nicht übersehen, hätte er die soziale Komponente in der Funktion des Ruhetags so leicht Dtn 5,14 zum trotz nicht minimieren können. Der Strukturbezug mit Ex 21,2–11 innerhalb des Bundesbuches spricht eine eindeutige Sprache.

18 Siehe dazu E. Otto, Wandel der Rechtsbegründungen (StB 3), 45ff.

19 Siehe E. Otto, Theologische Ethik des Alten Testaments (ThW 3/2), 99ff.

20 Siehe E. Otto, Artikel šaeḇa’/šābû'ôṯ, ThWAT VII, Stuttgart 1993, (1000–1027) 1018f. 1021–1023 mit weiterer Literatur.

21 Siehe B.M. Levinson, Deuteronomy and the Hermeneutics of Legal Innovation, New York/Oxford 1997, 37f.

22 Siehe E. Otto, Das Deuteronomium. Politische Theologie und Rechtsreform in Juda und Assyrien, BZAW 284, Berlin/New York 1999, 341–351.

23 Siehe dazu E. Otto, Artikel ša'ar, ThWAT VIII, Stuttgart 1995, (358–403) 376.

24 Siehe u.a. M. Weinfeld, Deuteronomy and the Deuteronomic School, Oxford 1972, 233–243; ders., The Place of the Law in the Religion of Ancient Israel, VT.S 100, Leiden/Boston 2004, 77ff.

25 Siehe N. Lohfink, Opferzentralisation, Säkularisierungsthese und mimetische Theorie, in: ders., Studien zum Deuteronomium und zur deuteronomistischen Literatur III, SBAB 20, Stuttgart 1995, 219–260.

26 Siehe E. Otto, Gottes Recht als Menschenrecht. Rechts- und literaturhistorische Studien zum Deuteronomium, BZAR 2, Wiesbaden, 2002, 92–275.

27 Siehe dazu bereits oben in diesem Beitrag.

28 Siehe dazu E. Otto, Innerbiblische Exegese im Heiligkeitsgesetz Levitikus 17–26, in: H.-J. Fabry/H.-W. Jüngling (Hg.), Levitikus als Buch, BBB 119, Berlin 1999, (125–196) 141–196; dort (a.a.O., 134ff.) auch zur Diskussion mit A. Cholewiński, Heiligkeitsgesetz und Deuteronomium. Eine vergleichende Studie, AnBib 66, Rom 1976.

29 Inkonsequent wird aber Ex 21,2–11 dem „Recht“ der Ortsgerichte zugesprochen.

30 Wenn ich richtig sehe, verabschiedet sich der Verf. damit von einer These seiner Dissertation, in der er den Nachweis zu führen versuchte, daß in den „Sammlungen“ der môt-jûmat- und ‚arûr-Sätze Unterschiede zum kasuistischen Recht nicht gattungskonstitutiv und sie einer „innergentalen Gerichtsbarkeit im nomadischen Recht“ zuzuweisen seien. Sie dazu E.-A. Lee, Forschungsgeschichte der Diskussion um das apodiktische Recht, Diss. theol. München 2003, 32ff. sowie bereits W. Schottroff, Zum alttestamentlichen Recht (VuF 22), 26.

31 Die Literatur, die diesen Nachweis des deskriptiven, nicht aber präskriptiven Charakters des Keilschriftrechts wie des frühen alttestamentlichen Rechts zu begründen sucht, ist inzwischen Legion. Erst dort, wo das biblische Recht singulär im Alten Orient theologisiert auf JHWH als Rechtsquelle zurückgeführt wird, erhält es präskriptive Konnotationen, die sich erst mit der Kanonisierung vollenden. Der Verf. geht von einem Verständnis des biblischen Rechts aus, das in den letzten 20 Jahren gründlich revidiert wurde; siehe dazu zusammenfassend E. Otto, Artikel Gesetz II. Altes Testament, RGG4 III, Tübingen 2000, 845–848.

32 Es hätte der Klärung und Vermeidung unnötiger Umwege in der Darlegung des Verf. gedient, wenn er sich der Arbeit von E. Dombradi (Die Darstellung des Rechtsauftrags in den altbabylonischen Prozeßurkunden, 2 Bände, FAOS 20.1–2, Stuttgart 1996) und ihrer Diskussion (siehe E. Otto, Neue Aspekte zum keilschriftlichen Prozeßrecht in Babylonien und Assyrien, ZAR 4, 1998, 263–283; R. Westbrook [Hg.], A History of Ancient Near Eastern Law, HdO 72.1–2, Bd. 1, Leiden/Boston 2003, 369–376) angenommen hätte.

33 Siehe nur A. Ruwe, Das Zusammenwirken von „Gerichtsverhandlung“, „Blutrache“ und „Asyl“. Rechtsgeschichtliche Erwägungen zu den todesrechtsrelevanten Asylbestimmungen im Hexateuch, ZAR 6, 2000, 190–221.

34 Siehe J. Chr. Gertz, Die Gerichtsordnung Israels im deuteronomischen Gesetz, FRLANT 165, Göttingen 1994, 64f.

35 Siehe M. Weinfeld, Deuteronomy and the Deuteronomic School (Oxford 1972), 234f.

36 Dtn 17,2–7* in seinem bereits vordtr Kernbestand zeigt, daß an den Lokalgerichten auch religiöse Vergehen geahndet wurden. Die These des Verf. (S. 190 Anm. 29) ist also zu revidieren. Zur Analyse von Dtn 17,2–7 in Relation zu Dtn 17,8–13 siehe E. Otto, Deuteronomium (BZAW 284), 238–249, dort auch die Diskussion mit der Analyse von J. Chr. Gertz.

37 Siehe Chr. Machholz, Zur Geschichte der Justizorganisation in Juda, ZAW 84, 1972, 157–182.

38 Siehe oben Anm. 9 sowie A. Fitzpatrick-McKinley, Ezra, Nehemiah and Some Early Lawgivers, in: Chr. Heszer (Hg.), Rabbinic Law in its Roman and Near Eastern Context, TSAJ 97, Tübingen 2003, 17–48.

39 Siehe dazu auch Chr. Heszer, Introduction, in: dies. (Hg.), Rabbinic Law in its Roman and Near Eastern Context (TSAJ 97), 1–16 zum Problem des Nachweises von Rechtsrezeptionen; cf. auch meine Rezension dieses Bandes in ZAR 10, 2004, 374–378.

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