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Georg Braulik (Hg.), Das Deuteronomium (Österreichische Biblische Studien 23, Frankfurt/Main: Peter Lang 2003, 378 S.)


Seiten 258 - 261

DOI https://doi.org/10.13173/zeitaltobiblrech.9.2003.0258




München

1 N. Lohfinks Gesprächspartner (siehe S. 12 Anm. 6) soll die Monographie des Rezensenten “Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumsrahmens” (FAT 30, Tübingen 2000) sein. Diese Rezension kann nicht der Ort aller angemessenen Erwiderung sein, sondern allenfalls der einer Problemanzeige, zumal der Verf. eine “Übereinstimmung in vielen zentralen Fragen” hervorhebt. Ein Grunddissenz aber sei an dieser Stelle notiert, zumal der Verf. ihn selbst formuliert. Er will als Textsinn des Pentateuch nur das anerkennen, “was sich im Text, wie er ist, zeigt, wenn ein Leser ihn (auch ohne Wissen von seiner Vorgeschichte oder unbekümmert um sie) liest”. Ich begreife dies als den ernst zu nehmenden Versuch, aus einem Textverständnis auszusteigen, das von diachronen Hypothesen dominiert ist. T. Veijolas “Bundesredaktion” ist mit der Zusammenordnung heterogener Texte ein Beispiel dafür. Doch ist aus der Dialektik von Text und Wissen um die Genese des Textes nicht auszusteigen, wenn der Text selbst intendiert auf seine Genese hinweist und also ein diachrones Bewußtsein des Lesers fordert, das zu mißachten eine Wendung gegen den Text ist; Siehe dazu E. Otto, Wie “synchron” wurde in der Antike der Pentateuch gelesen? (erscheint als Festschriftbeitrag). Der um die Genese des Textes “unbekümmerte” Leser ist ein unhistorisches Konstrukt und für einen antiken Autor im Pentateuch eine Unmöglichkeit. Machen wir Ernst mit der Einsicht, daß wir es im Pentateuch mit Fortschreibungsprozessen autoritativer Literatur zu tun haben, so impliziert das – und der Pentateuch selbst ist der Beweis dafür – daß der Autor voraussetzt, daß der Leser nicht nur den auslegenden und fortschreibenden, sondern auch den ausgelegten und fortgeschriebenen Text als solchen kennt. Der Leser soll also mit einer Autorenintention des Auslegers konfrontiert und alles andere als um die “Vorgeschichte des Textes unbekümmert” sein. Siehe dazu E. Otto, Ermeneutica giuridica nella Bibbia ebraica, Ars Interpretandi. Annuario di ermeneutica giuridica 4, 1999, 215–241. Das gilt nun in besonderer Weise – und anders ist der Pentateuch nicht zu verstehen – auch für den oder die Autoren, die das komplexe Gesamtwerk des Pentateuch dem Leser vorgelegt haben: Er kann und soll ihn nur begreifen, wenn er sein Herkommen als Arbeit an der autoritativen Tradition Gottes kennen und verstehen kann. Auch der antike Leser des Pentateuch wußte von der Vielzahl seiner Autoren in einer Geschichte der Fortschreibungen und konnte als deren Ausdruck den Text auch in seinen Widersprüchen begreifen, bis postbiblisch Generalautoren von Mose bis zum inspirierenden Geist eingeführt wurden. Diese postbiblischen Theorien sollten nicht der Rahmen einer synchronen Textinterpretation sein, die Widersprüche im Text nicht nur als Hinweise für den modernen Exegeten auf Textwachstum gedeutet werden, sondern als bereits von den biblischen Autoren gewollt offen gelassene Fenster, um dem antiken Leser den Blick in die Geschichte des Textes freizugeben. Eine synchrone Auslegung sollte diese Fenster also nicht unbekümmert um die Genese des Textes zuschlagen.

2 Die Bemühungen von J.-L. Ska, La scrittura era parola di Dio, scolpita sulle tavole (Es 32,16). Autorità, rivelazione e inspirazione nelle leggi del Pentateuco, in: E. Manicardi u.a. (Hg.), Spirito di Dio e Sacre Scritture nell'autotestimonianza della Bibbia. XXXV Settimana Biblica Nazionale, Bologna 2000, 7–23, verdient, als Versuch, synchrone Lesart und historische Interpretation zu vermitteln nicht die harsche Abkanzelung, die der Verf. (S. 39 Anm. 122) diesem höchst bemerkenswerten Versuch angedeihen läßt. Daß deskriptive und präskriptive Funktionen des Rechts im Pentateuch erheblich komplexer sind, als daß sie sich auf Abfassung des Pentateuch und seine Rezeptionsgeschichte verteilen ließen, zeigt die Tatsache, daß das Brachejahr bis 164/63 v. Chr. nicht gehalten wurde.

3 Siehe dagegen E. Otto, Art. Pentateuch, RGG4 VI, Tübingen 2003, 317–330 mit weiterer Literatur.

4 Der Rezensent hält dennoch daran fest, daβ genau umgekehrt literarische Grundlage in Dtn 16,1–8 eine Mazzotfestgesetzgebung ist, die durch die Einarbeitung der Passagesetzgebung insbesondere in Dtn 16,1aβb.2.7 dtn aktualisiert wurde. Siehe E. Otto, Art. pāsaḥ/paesaḥ, ThWAT VI, Stuttgart 1989, (659–682) 674–677; ders., Pascha I. AT, NBL III, Zürich 1997, 77–80.

5 Zur Problematik der Thesenbildung von R. Rothenbusch zum Bundesbuch siehe bereits E. Otto, ZAR 6, 2000, 371–377.

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